weg. Endlich da kein bekannter Gegenstand zum Vorschein kam, gestand der Kutscher, er sey unglücklicher Weise irre gefahren, wolle sich aber bald wieder zurechte finden, indem er dort ein Dorf sehe. Die Nacht kam herbey, und der Kutscher machte seine Sache so geschickt, daß er überall fragte und nirgends die Antwort abwartete. So fuhr man die ganze Nacht, Lydie schloß kein Auge; bey Mondenschein fand sie überall Ähnlichkeiten, und immer verschwanden sie wieder. Morgens schienen ihr die Gegen¬ stände bekannt, aber desto unerwarteter. Der Wagen hielt vor einem kleinen artig gebau¬ ten Landhause stille, ein Frauenzimmer trat aus der Thüre und öfnete den Schlag. Ly¬ die sah sie starr an, sah sich um, sah sie wieder an und lag ohnmächtig in Wilhelms Armen.
weg. Endlich da kein bekannter Gegenſtand zum Vorſchein kam, geſtand der Kutſcher, er ſey unglücklicher Weiſe irre gefahren, wolle ſich aber bald wieder zurechte finden, indem er dort ein Dorf ſehe. Die Nacht kam herbey, und der Kutſcher machte ſeine Sache ſo geſchickt, daß er überall fragte und nirgends die Antwort abwartete. So fuhr man die ganze Nacht, Lydie ſchloß kein Auge; bey Mondenſchein fand ſie überall Ähnlichkeiten, und immer verſchwanden ſie wieder. Morgens ſchienen ihr die Gegen¬ ſtände bekannt, aber deſto unerwarteter. Der Wagen hielt vor einem kleinen artig gebau¬ ten Landhauſe ſtille, ein Frauenzimmer trat aus der Thüre und öfnete den Schlag. Ly¬ die ſah ſie ſtarr an, ſah ſich um, ſah ſie wieder an und lag ohnmächtig in Wilhelms Armen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0065"n="61"/>
weg. Endlich da kein bekannter Gegenſtand<lb/>
zum Vorſchein kam, geſtand der Kutſcher,<lb/>
er ſey unglücklicher Weiſe irre gefahren,<lb/>
wolle ſich aber bald wieder zurechte finden,<lb/>
indem er dort ein Dorf ſehe. Die Nacht<lb/>
kam herbey, und der Kutſcher machte ſeine<lb/>
Sache ſo geſchickt, daß er überall fragte<lb/>
und nirgends die Antwort abwartete. So<lb/>
fuhr man die ganze Nacht, Lydie ſchloß kein<lb/>
Auge; bey Mondenſchein fand ſie überall<lb/>
Ähnlichkeiten, und immer verſchwanden ſie<lb/>
wieder. Morgens ſchienen ihr die Gegen¬<lb/>ſtände bekannt, aber deſto unerwarteter. Der<lb/>
Wagen hielt vor einem kleinen artig gebau¬<lb/>
ten Landhauſe ſtille, ein Frauenzimmer trat<lb/>
aus der Thüre und öfnete den Schlag. Ly¬<lb/>
die ſah ſie ſtarr an, ſah ſich um, ſah ſie<lb/>
wieder an und lag ohnmächtig in Wilhelms<lb/>
Armen.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></div></div></body></text></TEI>
[61/0065]
weg. Endlich da kein bekannter Gegenſtand
zum Vorſchein kam, geſtand der Kutſcher,
er ſey unglücklicher Weiſe irre gefahren,
wolle ſich aber bald wieder zurechte finden,
indem er dort ein Dorf ſehe. Die Nacht
kam herbey, und der Kutſcher machte ſeine
Sache ſo geſchickt, daß er überall fragte
und nirgends die Antwort abwartete. So
fuhr man die ganze Nacht, Lydie ſchloß kein
Auge; bey Mondenſchein fand ſie überall
Ähnlichkeiten, und immer verſchwanden ſie
wieder. Morgens ſchienen ihr die Gegen¬
ſtände bekannt, aber deſto unerwarteter. Der
Wagen hielt vor einem kleinen artig gebau¬
ten Landhauſe ſtille, ein Frauenzimmer trat
aus der Thüre und öfnete den Schlag. Ly¬
die ſah ſie ſtarr an, ſah ſich um, ſah ſie
wieder an und lag ohnmächtig in Wilhelms
Armen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/65>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.