unserm Freunde einigermaßen aus der Ver¬ legenheit, indem er ihn für krank erklärte, und ihm Arzney gab.
Die Gesellschaft kam immer Abends zu¬ sammen, und Friedrich, der ausgelassene Mensch, der gewöhnlich mehr Wein als bil¬ lig trank, bemächtigte sich des Gesprächs, und brachte nach seiner Art, mit hundert Zi¬ taten und eulenspiegelhaften Anspielungen, die Gesellschaft zum Lachen, und setzte sie auch nicht selten in Verlegenheit, indem er laut zu denken sich erlaubte.
An die Krankheit seines Freundes schien er gar nicht zu glauben. Einst, als sie alle beysammen waren, rief er aus: Wie nennt ihr das Übel, Doktor, das unsern Freund angefallen hat? paßt hier keiner von den dreytausend Nahmen, mit denen ihr eure Unwissenheit ausputzt? An ähnlichen Bey¬ spielen wenigstens hat es nicht gefehlt. Es
unſerm Freunde einigermaßen aus der Ver¬ legenheit, indem er ihn für krank erklärte, und ihm Arzney gab.
Die Geſellſchaft kam immer Abends zu¬ ſammen, und Friedrich, der ausgelaſſene Menſch, der gewöhnlich mehr Wein als bil¬ lig trank, bemächtigte ſich des Geſprächs, und brachte nach ſeiner Art, mit hundert Zi¬ taten und eulenſpiegelhaften Anſpielungen, die Geſellſchaft zum Lachen, und ſetzte ſie auch nicht ſelten in Verlegenheit, indem er laut zu denken ſich erlaubte.
An die Krankheit ſeines Freundes ſchien er gar nicht zu glauben. Einſt, als ſie alle beyſammen waren, rief er aus: Wie nennt ihr das Übel, Doktor, das unſern Freund angefallen hat? paßt hier keiner von den dreytauſend Nahmen, mit denen ihr eure Unwiſſenheit ausputzt? An ähnlichen Bey¬ ſpielen wenigſtens hat es nicht gefehlt. Es
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unſerm Freunde einigermaßen aus der Ver¬
legenheit, indem er ihn für krank erklärte,
und ihm Arzney gab.
Die Geſellſchaft kam immer Abends zu¬
ſammen, und Friedrich, der ausgelaſſene
Menſch, der gewöhnlich mehr Wein als bil¬
lig trank, bemächtigte ſich des Geſprächs,
und brachte nach ſeiner Art, mit hundert Zi¬
taten und eulenſpiegelhaften Anſpielungen,
die Geſellſchaft zum Lachen, und ſetzte ſie
auch nicht ſelten in Verlegenheit, indem er
laut zu denken ſich erlaubte.
An die Krankheit ſeines Freundes ſchien
er gar nicht zu glauben. Einſt, als ſie alle
beyſammen waren, rief er aus: Wie nennt
ihr das Übel, Doktor, das unſern Freund
angefallen hat? paßt hier keiner von den
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/499>, abgerufen am 25.11.2024.
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