daß ich den Knaben tödten würde, und er mich. Der Knabe lebt! sagte Wilhelm. Der Arzt, der aufmerksam zugehört hatte, fragte Augustinen, ob alles Getränke vergiftet ge¬ wesen? Er versetzte, nein! nur das Glas. So hat durch den glücklichsten Zufall, rief der Arzt, das Kind aus der Flasche getrun¬ ken! Ein guter Genius hat seine Hand ge¬ führt, daß es nicht nach den Tode griff, der so nahe zubereitet stand! Nein! nein! rief Wilhelm mit einem Schrey, indem er die Hände vor die Augen hielt, wie fürchterlich ist diese Aussage! ausdrücklich sagte das Kind: daß es nicht aus der Flasche, sondern aus dem Glase getrunken habe. Seine Ge¬ sundheit ist nur ein Schein, es wi[rd] uns un¬ ter den Händen wegsterben. Er eilte fort, der Arzt ging hinunter und fragte, indem er das Kind liebkoste, nicht wahr, Felix, du hast aus der Flasche getrunken und nicht aus dem
daß ich den Knaben tödten würde, und er mich. Der Knabe lebt! ſagte Wilhelm. Der Arzt, der aufmerkſam zugehört hatte, fragte Auguſtinen, ob alles Getränke vergiftet ge¬ weſen? Er verſetzte, nein! nur das Glas. So hat durch den glücklichſten Zufall, rief der Arzt, das Kind aus der Flaſche getrun¬ ken! Ein guter Genius hat ſeine Hand ge¬ führt, daß es nicht nach den Tode griff, der ſo nahe zubereitet ſtand! Nein! nein! rief Wilhelm mit einem Schrey, indem er die Hände vor die Augen hielt, wie fürchterlich iſt dieſe Ausſage! ausdrücklich ſagte das Kind: daß es nicht aus der Flaſche, ſondern aus dem Glaſe getrunken habe. Seine Ge¬ ſundheit iſt nur ein Schein, es wi[rd] uns un¬ ter den Händen wegſterben. Er eilte fort, der Arzt ging hinunter und fragte, indem er das Kind liebkoſte, nicht wahr, Felix, du haſt aus der Flaſche getrunken und nicht aus dem
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0494"n="490"/>
daß ich den Knaben tödten würde, und er<lb/>
mich. Der Knabe lebt! ſagte Wilhelm. Der<lb/>
Arzt, der aufmerkſam zugehört hatte, fragte<lb/>
Auguſtinen, ob alles Getränke vergiftet ge¬<lb/>
weſen? Er verſetzte, nein! nur das Glas.<lb/>
So hat durch den glücklichſten Zufall, rief<lb/>
der Arzt, das Kind aus der Flaſche getrun¬<lb/>
ken! Ein guter Genius hat ſeine Hand ge¬<lb/>
führt, daß es nicht nach den Tode griff, der<lb/>ſo nahe zubereitet ſtand! Nein! nein! rief<lb/>
Wilhelm mit einem Schrey, indem er die<lb/>
Hände vor die Augen hielt, wie fürchterlich<lb/>
iſt dieſe Ausſage! ausdrücklich ſagte das<lb/>
Kind: daß es nicht aus der Flaſche, ſondern<lb/>
aus dem Glaſe getrunken habe. Seine Ge¬<lb/>ſundheit iſt nur ein Schein, es wi<supplied>rd</supplied> uns un¬<lb/>
ter den Händen wegſterben. Er eilte fort,<lb/>
der Arzt ging hinunter und fragte, indem er<lb/>
das Kind liebkoſte, nicht wahr, Felix, du haſt<lb/>
aus der Flaſche getrunken und nicht aus dem<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[490/0494]
daß ich den Knaben tödten würde, und er
mich. Der Knabe lebt! ſagte Wilhelm. Der
Arzt, der aufmerkſam zugehört hatte, fragte
Auguſtinen, ob alles Getränke vergiftet ge¬
weſen? Er verſetzte, nein! nur das Glas.
So hat durch den glücklichſten Zufall, rief
der Arzt, das Kind aus der Flaſche getrun¬
ken! Ein guter Genius hat ſeine Hand ge¬
führt, daß es nicht nach den Tode griff, der
ſo nahe zubereitet ſtand! Nein! nein! rief
Wilhelm mit einem Schrey, indem er die
Hände vor die Augen hielt, wie fürchterlich
iſt dieſe Ausſage! ausdrücklich ſagte das
Kind: daß es nicht aus der Flaſche, ſondern
aus dem Glaſe getrunken habe. Seine Ge¬
ſundheit iſt nur ein Schein, es wird uns un¬
ter den Händen wegſterben. Er eilte fort,
der Arzt ging hinunter und fragte, indem er
das Kind liebkoſte, nicht wahr, Felix, du haſt
aus der Flaſche getrunken und nicht aus dem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/494>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.