Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

handelt, es ging auch bis auf einen gewissen
Grad ganz gut, allein die Todesfurcht war
noch immer groß bey ihm, und seinen Bart
und sein langes Kleid wollte er uns nicht
aufopfern; übrigens nahm er mehr Theil an
den weltlichen Dingen, und seine Gesänge
schienen, wie seine Vorstellungsart, wieder
dem Leben sich zu nähern. Sie wissen, welch
ein sonderbarer Brief des Geistlichen mich
von hier abrief, ich kam, ich fand unsern
Mann ganz verändert, er hatte freywillig
seinen Bart hergegeben, er hatte erlaubt
seine Locken in eine hergebrachte Form zu¬
zuschneiden; er verlangte gewöhnliche Klei¬
der, und schien auf einmal ein anderer
Mensch geworden zu seyn. Wir waren neu¬
gierig die Ursache dieser Verwandlung zu er¬
gründen, und wagten doch nicht uns mit
ihm selbst darüber einzulassen; endlich ent¬
deckten wir zufällig das sonderbare Verhält¬

handelt, es ging auch bis auf einen gewiſſen
Grad ganz gut, allein die Todesfurcht war
noch immer groß bey ihm, und ſeinen Bart
und ſein langes Kleid wollte er uns nicht
aufopfern; übrigens nahm er mehr Theil an
den weltlichen Dingen, und ſeine Geſänge
ſchienen, wie ſeine Vorſtellungsart, wieder
dem Leben ſich zu nähern. Sie wiſſen, welch
ein ſonderbarer Brief des Geiſtlichen mich
von hier abrief, ich kam, ich fand unſern
Mann ganz verändert, er hatte freywillig
ſeinen Bart hergegeben, er hatte erlaubt
ſeine Locken in eine hergebrachte Form zu¬
zuſchneiden; er verlangte gewöhnliche Klei¬
der, und ſchien auf einmal ein anderer
Menſch geworden zu ſeyn. Wir waren neu¬
gierig die Urſache dieſer Verwandlung zu er¬
gründen, und wagten doch nicht uns mit
ihm ſelbſt darüber einzulaſſen; endlich ent¬
deckten wir zufällig das ſonderbare Verhält¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0475" n="471"/>
handelt, es ging auch bis auf einen gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Grad ganz gut, allein die Todesfurcht war<lb/>
noch immer groß bey ihm, und &#x017F;einen Bart<lb/>
und &#x017F;ein langes Kleid wollte er uns nicht<lb/>
aufopfern; übrigens nahm er mehr Theil an<lb/>
den weltlichen Dingen, und &#x017F;eine Ge&#x017F;änge<lb/>
&#x017F;chienen, wie &#x017F;eine Vor&#x017F;tellungsart, wieder<lb/>
dem Leben &#x017F;ich zu nähern. Sie wi&#x017F;&#x017F;en, welch<lb/>
ein &#x017F;onderbarer Brief des Gei&#x017F;tlichen mich<lb/>
von hier abrief, ich kam, ich fand un&#x017F;ern<lb/>
Mann ganz verändert, er hatte freywillig<lb/>
&#x017F;einen Bart hergegeben, er hatte erlaubt<lb/>
&#x017F;eine Locken in eine hergebrachte Form zu¬<lb/>
zu&#x017F;chneiden; er verlangte gewöhnliche Klei¬<lb/>
der, und &#x017F;chien auf einmal ein anderer<lb/>
Men&#x017F;ch geworden zu &#x017F;eyn. Wir waren neu¬<lb/>
gierig die Ur&#x017F;ache die&#x017F;er Verwandlung zu er¬<lb/>
gründen, und wagten doch nicht uns mit<lb/>
ihm &#x017F;elb&#x017F;t darüber einzula&#x017F;&#x017F;en; endlich ent¬<lb/>
deckten wir zufällig das &#x017F;onderbare Verhält¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[471/0475] handelt, es ging auch bis auf einen gewiſſen Grad ganz gut, allein die Todesfurcht war noch immer groß bey ihm, und ſeinen Bart und ſein langes Kleid wollte er uns nicht aufopfern; übrigens nahm er mehr Theil an den weltlichen Dingen, und ſeine Geſänge ſchienen, wie ſeine Vorſtellungsart, wieder dem Leben ſich zu nähern. Sie wiſſen, welch ein ſonderbarer Brief des Geiſtlichen mich von hier abrief, ich kam, ich fand unſern Mann ganz verändert, er hatte freywillig ſeinen Bart hergegeben, er hatte erlaubt ſeine Locken in eine hergebrachte Form zu¬ zuſchneiden; er verlangte gewöhnliche Klei¬ der, und ſchien auf einmal ein anderer Menſch geworden zu ſeyn. Wir waren neu¬ gierig die Urſache dieſer Verwandlung zu er¬ gründen, und wagten doch nicht uns mit ihm ſelbſt darüber einzulaſſen; endlich ent¬ deckten wir zufällig das ſonderbare Verhält¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/475
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/475>, abgerufen am 22.11.2024.