lenleiden zu ertragen, so fing er an das Vergehen ihr mit schrecklichen Farben vorzu¬ mahlen, das Vergehen sich einem Geistlichen ergeben zu haben, das er als eine Art von Sünde gegen die Natur, als einen Incest behandelte. Denn er hatte den sonderbaren Gedanken, ihre Reue jener Reue gleich zu machen, die sie empfunden haben würde, wenn sie das wahre Verhältnis ihres Fehl¬ trittes erfahren hätte. Er brachte dadurch so viel Jammer und Kummer in ihr Ge¬ müth, er erhöhte die Idee der Kirche und ihres Oberhauptes so sehr vor ihr, er zeigte ihr die schrecklichen Folgen für das Heil aller Seelen, wenn man in solchen Fällen nach¬ geben, und die Straffälligen durch eine recht¬ mäßige Verbindung noch gar belohnen wolle; er zeigte ihr, wie heilsam es sey, einen sol¬ chen Fehler in der Zeit abzubüßen, und da¬ für dereinst die Krone der Herrlichkeit zu er¬
lenleiden zu ertragen, ſo fing er an das Vergehen ihr mit ſchrecklichen Farben vorzu¬ mahlen, das Vergehen ſich einem Geiſtlichen ergeben zu haben, das er als eine Art von Sünde gegen die Natur, als einen Inceſt behandelte. Denn er hatte den ſonderbaren Gedanken, ihre Reue jener Reue gleich zu machen, die ſie empfunden haben würde, wenn ſie das wahre Verhältnis ihres Fehl¬ trittes erfahren hätte. Er brachte dadurch ſo viel Jammer und Kummer in ihr Ge¬ müth, er erhöhte die Idee der Kirche und ihres Oberhauptes ſo ſehr vor ihr, er zeigte ihr die ſchrecklichen Folgen für das Heil aller Seelen, wenn man in ſolchen Fällen nach¬ geben, und die Straffälligen durch eine recht¬ mäßige Verbindung noch gar belohnen wolle; er zeigte ihr, wie heilſam es ſey, einen ſol¬ chen Fehler in der Zeit abzubüßen, und da¬ für dereinſt die Krone der Herrlichkeit zu er¬
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lenleiden zu ertragen, ſo fing er an das
Vergehen ihr mit ſchrecklichen Farben vorzu¬
mahlen, das Vergehen ſich einem Geiſtlichen
ergeben zu haben, das er als eine Art von
Sünde gegen die Natur, als einen Inceſt
behandelte. Denn er hatte den ſonderbaren
Gedanken, ihre Reue jener Reue gleich zu
machen, die ſie empfunden haben würde,
wenn ſie das wahre Verhältnis ihres Fehl¬
trittes erfahren hätte. Er brachte dadurch
ſo viel Jammer und Kummer in ihr Ge¬
müth, er erhöhte die Idee der Kirche und
ihres Oberhauptes ſo ſehr vor ihr, er zeigte
ihr die ſchrecklichen Folgen für das Heil aller
Seelen, wenn man in ſolchen Fällen nach¬
geben, und die Straffälligen durch eine recht¬
mäßige Verbindung noch gar belohnen wolle;
er zeigte ihr, wie heilſam es ſey, einen ſol¬
chen Fehler in der Zeit abzubüßen, und da¬
für dereinſt die Krone der Herrlichkeit zu er¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/448>, abgerufen am 22.11.2024.
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