versicherte, ließ er sich doch dadurch nicht irre machen, vielmehr rief er aus: Fragt nicht den Wiederhall eurer Kreuzgänge, nicht euer vermodertes Pergament, nicht eure ver¬ schränkten Grillen und Verordnungen, fragt die Natur und euer Herz, sie wird euch leh¬ ren, vor was ihr zu schaudern habt, sie wird euch mit dem strengsten Finger zeigen, wor¬ über sie ewig und unwiederruflich ihren Fluch ausspricht. Seht die Lilien an, entspringt nicht Gatte und Gattin auf Einem Stengel? verbindet beyde nicht die Blume, die beyde gebahr, und ist die Lilie nicht das Bild der Unschuld, und ist ihre geschwisterliche Verei¬ nigung nicht fruchtbar? Wenn die Natur verabscheut, so spricht sie es laut aus; das Geschöpf, das nicht seyn soll, kann nicht werden, das Geschöpf, das falsch lebt, wird früh zerstöhrt. Unfruchtbarkeit, kümmerliches Daseyn, frühzeitiges Zerfallen, das sind ihre
verſicherte, ließ er ſich doch dadurch nicht irre machen, vielmehr rief er aus: Fragt nicht den Wiederhall eurer Kreuzgänge, nicht euer vermodertes Pergament, nicht eure ver¬ ſchränkten Grillen und Verordnungen, fragt die Natur und euer Herz, ſie wird euch leh¬ ren, vor was ihr zu ſchaudern habt, ſie wird euch mit dem ſtrengſten Finger zeigen, wor¬ über ſie ewig und unwiederruflich ihren Fluch ausſpricht. Seht die Lilien an, entſpringt nicht Gatte und Gattin auf Einem Stengel? verbindet beyde nicht die Blume, die beyde gebahr, und iſt die Lilie nicht das Bild der Unſchuld, und iſt ihre geſchwiſterliche Verei¬ nigung nicht fruchtbar? Wenn die Natur verabſcheut, ſo ſpricht ſie es laut aus; das Geſchöpf, das nicht ſeyn ſoll, kann nicht werden, das Geſchöpf, das falſch lebt, wird früh zerſtöhrt. Unfruchtbarkeit, kümmerliches Daſeyn, frühzeitiges Zerfallen, das ſind ihre
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verſicherte, ließ er ſich doch dadurch nicht
irre machen, vielmehr rief er aus: Fragt
nicht den Wiederhall eurer Kreuzgänge, nicht
euer vermodertes Pergament, nicht eure ver¬
ſchränkten Grillen und Verordnungen, fragt
die Natur und euer Herz, ſie wird euch leh¬
ren, vor was ihr zu ſchaudern habt, ſie wird
euch mit dem ſtrengſten Finger zeigen, wor¬
über ſie ewig und unwiederruflich ihren Fluch
ausſpricht. Seht die Lilien an, entſpringt
nicht Gatte und Gattin auf Einem Stengel?
verbindet beyde nicht die Blume, die beyde
gebahr, und iſt die Lilie nicht das Bild der
Unſchuld, und iſt ihre geſchwiſterliche Verei¬
nigung nicht fruchtbar? Wenn die Natur
verabſcheut, ſo ſpricht ſie es laut aus; das
Geſchöpf, das nicht ſeyn ſoll, kann nicht
werden, das Geſchöpf, das falſch lebt, wird
früh zerſtöhrt. Unfruchtbarkeit, kümmerliches
Daſeyn, frühzeitiges Zerfallen, das ſind ihre
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/442>, abgerufen am 25.11.2024.
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