chens wieder fühle, daß ich bin, daß sie ist, daß wir eins sind, daß aus dieser lebendi¬ gen Verbindung ein drittes entstehen und uns entgegenlächeln soll, nun eröfnet ihr die Flammen eurer Höllen, eurer Fegefeuer, die nur eine kranke Einbildungskraft versen¬ gen können, und stellt sie dem lebhaften, wahren, unzerstöhrlichen Genuß der reinen Liebe entgegen. Begegnet uns unter jenen Cypressen, die ihre ernsthaften Gipfel gen Himmel wenden, besucht uns an jenen Spa¬ lieren, wo die Citronen und Pomeranzen neben uns blühn, wo die zierliche Myrthe uns ihre zarten Blumen darreicht, und dann wagt es, uns mit euren trüben, grauen von Menschen gesponnenen Netzen zu ängstigen.
So bestand er lange Zeit auf einem hart¬ näckigen Unglauben unserer Erzählung, und zuletzt, da wir ihm die Wahrheit derselben betheuerten, da sie ihm der Beichtvater selbst
chens wieder fühle, daß ich bin, daß ſie iſt, daß wir eins ſind, daß aus dieſer lebendi¬ gen Verbindung ein drittes entſtehen und uns entgegenlächeln ſoll, nun eröfnet ihr die Flammen eurer Höllen, eurer Fegefeuer, die nur eine kranke Einbildungskraft verſen¬ gen können, und ſtellt ſie dem lebhaften, wahren, unzerſtöhrlichen Genuß der reinen Liebe entgegen. Begegnet uns unter jenen Cypreſſen, die ihre ernſthaften Gipfel gen Himmel wenden, beſucht uns an jenen Spa¬ lieren, wo die Citronen und Pomeranzen neben uns blühn, wo die zierliche Myrthe uns ihre zarten Blumen darreicht, und dann wagt es, uns mit euren trüben, grauen von Menſchen geſponnenen Netzen zu ängſtigen.
So beſtand er lange Zeit auf einem hart¬ näckigen Unglauben unſerer Erzählung, und zuletzt, da wir ihm die Wahrheit derſelben betheuerten, da ſie ihm der Beichtvater ſelbſt
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chens wieder fühle, daß ich bin, daß ſie iſt,
daß wir eins ſind, daß aus dieſer lebendi¬
gen Verbindung ein drittes entſtehen und
uns entgegenlächeln ſoll, nun eröfnet ihr
die Flammen eurer Höllen, eurer Fegefeuer,
die nur eine kranke Einbildungskraft verſen¬
gen können, und ſtellt ſie dem lebhaften,
wahren, unzerſtöhrlichen Genuß der reinen
Liebe entgegen. Begegnet uns unter jenen
Cypreſſen, die ihre ernſthaften Gipfel gen
Himmel wenden, beſucht uns an jenen Spa¬
lieren, wo die Citronen und Pomeranzen
neben uns blühn, wo die zierliche Myrthe
uns ihre zarten Blumen darreicht, und dann
wagt es, uns mit euren trüben, grauen von
Menſchen geſponnenen Netzen zu ängſtigen.
So beſtand er lange Zeit auf einem hart¬
näckigen Unglauben unſerer Erzählung, und
zuletzt, da wir ihm die Wahrheit derſelben
betheuerten, da ſie ihm der Beichtvater ſelbſt
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/441>, abgerufen am 22.11.2024.
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