ander auszubilden. Wer alles und jedes in seiner ganzen Menschheit thun oder genießen will, wer alles außer sich zu einer solchen Art von Genuß verknüpfen will, der wird seine Zeit nur mit einem ewig unbefriedig¬ ten Streben hinbringen. Wie schwer ist es, was so natürlich scheint, eine gute Natur, ein treffliches Gemählde an und für sich zu beschauen, den Gesang um des Gesangs wil¬ len zu vernehmen, den Schauspieler im Schauspieler zu bewundern, sich eines Ge¬ bäudes um seiner eigenen Harmonie und seiner Dauer willen zu erfreuen. Nun sieht man aber meist nur die Menschen die ent¬ scheidendsten Werke der Kunst gerade zu be¬ handeln, als wenn es ein weicher Thon wäre. Nach ihren Neigungen, Meinungen und Grillen soll sich der gebildete Marmor sogleich wieder ummodeln, das festgemauerte Gebäude sich ausdehnen oder zusammenzie¬
ander auszubilden. Wer alles und jedes in ſeiner ganzen Menſchheit thun oder genießen will, wer alles außer ſich zu einer ſolchen Art von Genuß verknüpfen will, der wird ſeine Zeit nur mit einem ewig unbefriedig¬ ten Streben hinbringen. Wie ſchwer iſt es, was ſo natürlich ſcheint, eine gute Natur, ein treffliches Gemählde an und für ſich zu beſchauen, den Geſang um des Geſangs wil¬ len zu vernehmen, den Schauſpieler im Schauſpieler zu bewundern, ſich eines Ge¬ bäudes um ſeiner eigenen Harmonie und ſeiner Dauer willen zu erfreuen. Nun ſieht man aber meiſt nur die Menſchen die ent¬ ſcheidendſten Werke der Kunſt gerade zu be¬ handeln, als wenn es ein weicher Thon wäre. Nach ihren Neigungen, Meinungen und Grillen ſoll ſich der gebildete Marmor ſogleich wieder ummodeln, das feſtgemauerte Gebäude ſich ausdehnen oder zuſammenzie¬
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ander auszubilden. Wer alles und jedes in
ſeiner ganzen Menſchheit thun oder genießen
will, wer alles außer ſich zu einer ſolchen
Art von Genuß verknüpfen will, der wird
ſeine Zeit nur mit einem ewig unbefriedig¬
ten Streben hinbringen. Wie ſchwer iſt es,
was ſo natürlich ſcheint, eine gute Natur,
ein treffliches Gemählde an und für ſich zu
beſchauen, den Geſang um des Geſangs wil¬
len zu vernehmen, den Schauſpieler im
Schauſpieler zu bewundern, ſich eines Ge¬
bäudes um ſeiner eigenen Harmonie und
ſeiner Dauer willen zu erfreuen. Nun ſieht
man aber meiſt nur die Menſchen die ent¬
ſcheidendſten Werke der Kunſt gerade zu be¬
handeln, als wenn es ein weicher Thon
wäre. Nach ihren Neigungen, Meinungen
und Grillen ſoll ſich der gebildete Marmor
ſogleich wieder ummodeln, das feſtgemauerte
Gebäude ſich ausdehnen oder zuſammenzie¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/414>, abgerufen am 22.11.2024.
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