Was Wagestück! rief Friedrich. In der Liebe ist alles Wagestück. Unter der Laube, oder vor dem Altar, mit Umarmungen, oder goldenen Ringen, beym Gesange der Heim¬ chen oder bey Trompeten und Pauken; es ist alles nur ein Wagestück, und der Zufall thut alles.
Ich habe immer gesehen, versetzte Nata¬ lie, daß unsere Grundsätze nur ein Supple¬ ment zu unsern Existenzen sind. Wir hän¬ gen unsern Fehlern gar zu gern das Gewand eines gültigen Gesetzes um. Gieb nur Acht, welchen Weg Dich die Schöne noch führen wird, die Dich auf eine so gewaltsame Weise angezogen hat und fest hält.
Sie ist selbst auf einem sehr guten Wege, versetzte Friedrich, auf dem Wege zur Hei¬ ligkeit. Es ist freylich ein Umweg, aber desto lustiger und sichrer; Maria von Mag¬ dala ist ihn auch gegangen, und wer weiß
Was Wageſtück! rief Friedrich. In der Liebe iſt alles Wageſtück. Unter der Laube, oder vor dem Altar, mit Umarmungen, oder goldenen Ringen, beym Geſange der Heim¬ chen oder bey Trompeten und Pauken; es iſt alles nur ein Wageſtück, und der Zufall thut alles.
Ich habe immer geſehen, verſetzte Nata¬ lie, daß unſere Grundſätze nur ein Supple¬ ment zu unſern Exiſtenzen ſind. Wir hän¬ gen unſern Fehlern gar zu gern das Gewand eines gültigen Geſetzes um. Gieb nur Acht, welchen Weg Dich die Schöne noch führen wird, die Dich auf eine ſo gewaltſame Weiſe angezogen hat und feſt hält.
Sie iſt ſelbſt auf einem ſehr guten Wege, verſetzte Friedrich, auf dem Wege zur Hei¬ ligkeit. Es iſt freylich ein Umweg, aber deſto luſtiger und ſichrer; Maria von Mag¬ dala iſt ihn auch gegangen, und wer weiß
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0393"n="389"/><p>Was Wageſtück! rief Friedrich. In der<lb/>
Liebe iſt alles Wageſtück. Unter der Laube,<lb/>
oder vor dem Altar, mit Umarmungen, oder<lb/>
goldenen Ringen, beym Geſange der Heim¬<lb/>
chen oder bey Trompeten und Pauken; es<lb/>
iſt alles nur ein Wageſtück, und der Zufall<lb/>
thut alles.</p><lb/><p>Ich habe immer geſehen, verſetzte Nata¬<lb/>
lie, daß unſere Grundſätze nur ein Supple¬<lb/>
ment zu unſern Exiſtenzen ſind. Wir hän¬<lb/>
gen unſern Fehlern gar zu gern das Gewand<lb/>
eines gültigen Geſetzes um. Gieb nur Acht,<lb/>
welchen Weg Dich die Schöne noch führen<lb/>
wird, die Dich auf eine ſo gewaltſame Weiſe<lb/>
angezogen hat und feſt hält.</p><lb/><p>Sie iſt ſelbſt auf einem ſehr guten Wege,<lb/>
verſetzte Friedrich, auf dem Wege zur Hei¬<lb/>
ligkeit. Es iſt freylich ein Umweg, aber<lb/>
deſto luſtiger und ſichrer; Maria von Mag¬<lb/>
dala iſt ihn auch gegangen, und wer weiß<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[389/0393]
Was Wageſtück! rief Friedrich. In der
Liebe iſt alles Wageſtück. Unter der Laube,
oder vor dem Altar, mit Umarmungen, oder
goldenen Ringen, beym Geſange der Heim¬
chen oder bey Trompeten und Pauken; es
iſt alles nur ein Wageſtück, und der Zufall
thut alles.
Ich habe immer geſehen, verſetzte Nata¬
lie, daß unſere Grundſätze nur ein Supple¬
ment zu unſern Exiſtenzen ſind. Wir hän¬
gen unſern Fehlern gar zu gern das Gewand
eines gültigen Geſetzes um. Gieb nur Acht,
welchen Weg Dich die Schöne noch führen
wird, die Dich auf eine ſo gewaltſame Weiſe
angezogen hat und feſt hält.
Sie iſt ſelbſt auf einem ſehr guten Wege,
verſetzte Friedrich, auf dem Wege zur Hei¬
ligkeit. Es iſt freylich ein Umweg, aber
deſto luſtiger und ſichrer; Maria von Mag¬
dala iſt ihn auch gegangen, und wer weiß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/393>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.