Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

teten Sarkophag, der seiner Größe nach
eine junge Person von mittlererer Gestalt
enthalten haben sollte.

Natalie blieb bey diesem Monumente ste¬
hen, und indem sie die Hand darauf legte,
sagte sie: mein guter Oheim hatte große
Vorliebe zu diesem Werke des Alterthums.
Er sagte manchmal: nicht allein die ersten
Blüthen fallen ab, die ihr da oben in jenen
kleinen Räumen verwahren könnt, sondern
auch Früchte, die uns, am Zweige hängend,
noch lange die schönste Hoffnung geben, in¬
dem ein heimlicher Wurm ihre frühere Reife
und ihre Zerstöhrung vorbereitet. Ich fürchte,
fuhr sie fort, er hat auf das liebe Mädchen
geweissagt, das sich unserer Pflege nach und
nach zu entziehen und zu dieser ruhigen
Wohnung zu neigen scheint.

Als sie im Begriff waren wegzugehn,
sagte Natalie: ich muß Sie noch auf etwas

teten Sarkophag, der ſeiner Größe nach
eine junge Perſon von mittlererer Geſtalt
enthalten haben ſollte.

Natalie blieb bey dieſem Monumente ſte¬
hen, und indem ſie die Hand darauf legte,
ſagte ſie: mein guter Oheim hatte große
Vorliebe zu dieſem Werke des Alterthums.
Er ſagte manchmal: nicht allein die erſten
Blüthen fallen ab, die ihr da oben in jenen
kleinen Räumen verwahren könnt, ſondern
auch Früchte, die uns, am Zweige hängend,
noch lange die ſchönſte Hoffnung geben, in¬
dem ein heimlicher Wurm ihre frühere Reife
und ihre Zerſtöhrung vorbereitet. Ich fürchte,
fuhr ſie fort, er hat auf das liebe Mädchen
geweiſſagt, das ſich unſerer Pflege nach und
nach zu entziehen und zu dieſer ruhigen
Wohnung zu neigen ſcheint.

Als ſie im Begriff waren wegzugehn,
ſagte Natalie: ich muß Sie noch auf etwas

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0333" n="329"/>
teten Sarkophag, der &#x017F;einer Größe nach<lb/>
eine junge Per&#x017F;on von mittlererer Ge&#x017F;talt<lb/>
enthalten haben &#x017F;ollte.</p><lb/>
            <p>Natalie blieb bey die&#x017F;em Monumente &#x017F;te¬<lb/>
hen, und indem &#x017F;ie die Hand darauf legte,<lb/>
&#x017F;agte &#x017F;ie: mein guter Oheim hatte große<lb/>
Vorliebe zu die&#x017F;em Werke des Alterthums.<lb/>
Er &#x017F;agte manchmal: nicht allein die er&#x017F;ten<lb/>
Blüthen fallen ab, die ihr da oben in jenen<lb/>
kleinen Räumen verwahren könnt, &#x017F;ondern<lb/>
auch Früchte, die uns, am Zweige hängend,<lb/>
noch lange die &#x017F;chön&#x017F;te Hoffnung geben, in¬<lb/>
dem ein heimlicher Wurm ihre frühere Reife<lb/>
und ihre Zer&#x017F;töhrung vorbereitet. Ich fürchte,<lb/>
fuhr &#x017F;ie fort, er hat auf das liebe Mädchen<lb/>
gewei&#x017F;&#x017F;agt, das &#x017F;ich un&#x017F;erer Pflege nach und<lb/>
nach zu entziehen und zu die&#x017F;er ruhigen<lb/>
Wohnung zu neigen &#x017F;cheint.</p><lb/>
            <p>Als &#x017F;ie im Begriff waren wegzugehn,<lb/>
&#x017F;agte Natalie: ich muß Sie noch auf etwas<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[329/0333] teten Sarkophag, der ſeiner Größe nach eine junge Perſon von mittlererer Geſtalt enthalten haben ſollte. Natalie blieb bey dieſem Monumente ſte¬ hen, und indem ſie die Hand darauf legte, ſagte ſie: mein guter Oheim hatte große Vorliebe zu dieſem Werke des Alterthums. Er ſagte manchmal: nicht allein die erſten Blüthen fallen ab, die ihr da oben in jenen kleinen Räumen verwahren könnt, ſondern auch Früchte, die uns, am Zweige hängend, noch lange die ſchönſte Hoffnung geben, in¬ dem ein heimlicher Wurm ihre frühere Reife und ihre Zerſtöhrung vorbereitet. Ich fürchte, fuhr ſie fort, er hat auf das liebe Mädchen geweiſſagt, das ſich unſerer Pflege nach und nach zu entziehen und zu dieſer ruhigen Wohnung zu neigen ſcheint. Als ſie im Begriff waren wegzugehn, ſagte Natalie: ich muß Sie noch auf etwas

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/333
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/333>, abgerufen am 23.11.2024.