daß sie sich vom Leben abzuscheiden droht, warum soll ich durch meine Gegenwart ihre Schmerzen erneuern, und vielleicht ihr Ende beschleunigen?
Mein Freund! versetzte der Arzt, wo wir nicht helfen können, sind wir doch schul¬ dig zu lindern, und wie sehr die Gegenwart eines geliebten Gegenstandes der Einbildungs¬ kraft ihre zerstöhrende Gewalt nimmt, und die Sehnsucht in ein ruhiges Schauen ver¬ wandelt, davon habe ich die wichtigsten Beyspiele. Alles mit Maaß und Ziel! Denn eben so kann die Gegenwart eine verlö¬ schende Leidenschaft wieder anfachen. Sehen Sie das gute Kind, betragen Sie sich freund¬ lich, und lassen Sie uns abwarten, was daraus entsteht.
Natalie kam eben zurück, und verlangte, daß Wilhelm ihr zu Mignon folgen sollte. Sie scheint mit Felix ganz glücklich zu seyn,
daß ſie ſich vom Leben abzuſcheiden droht, warum ſoll ich durch meine Gegenwart ihre Schmerzen erneuern, und vielleicht ihr Ende beſchleunigen?
Mein Freund! verſetzte der Arzt, wo wir nicht helfen können, ſind wir doch ſchul¬ dig zu lindern, und wie ſehr die Gegenwart eines geliebten Gegenſtandes der Einbildungs¬ kraft ihre zerſtöhrende Gewalt nimmt, und die Sehnſucht in ein ruhiges Schauen ver¬ wandelt, davon habe ich die wichtigſten Beyſpiele. Alles mit Maaß und Ziel! Denn eben ſo kann die Gegenwart eine verlö¬ ſchende Leidenſchaft wieder anfachen. Sehen Sie das gute Kind, betragen Sie ſich freund¬ lich, und laſſen Sie uns abwarten, was daraus entſteht.
Natalie kam eben zurück, und verlangte, daß Wilhelm ihr zu Mignon folgen ſollte. Sie ſcheint mit Felix ganz glücklich zu ſeyn,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0288"n="284"/>
daß ſie ſich vom Leben abzuſcheiden droht,<lb/>
warum ſoll ich durch meine Gegenwart ihre<lb/>
Schmerzen erneuern, und vielleicht ihr Ende<lb/>
beſchleunigen?</p><lb/><p>Mein Freund! verſetzte der Arzt, wo<lb/>
wir nicht helfen können, ſind wir doch ſchul¬<lb/>
dig zu lindern, und wie ſehr die Gegenwart<lb/>
eines geliebten Gegenſtandes der Einbildungs¬<lb/>
kraft ihre zerſtöhrende Gewalt nimmt, und<lb/>
die Sehnſucht in ein ruhiges Schauen ver¬<lb/>
wandelt, davon habe ich die wichtigſten<lb/>
Beyſpiele. Alles mit Maaß und Ziel! Denn<lb/>
eben ſo kann die Gegenwart eine verlö¬<lb/>ſchende Leidenſchaft wieder anfachen. Sehen<lb/>
Sie das gute Kind, betragen Sie ſich freund¬<lb/>
lich, und laſſen Sie uns abwarten, was<lb/>
daraus entſteht.</p><lb/><p>Natalie kam eben zurück, und verlangte,<lb/>
daß Wilhelm ihr zu Mignon folgen ſollte.<lb/>
Sie ſcheint mit Felix ganz glücklich zu ſeyn,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[284/0288]
daß ſie ſich vom Leben abzuſcheiden droht,
warum ſoll ich durch meine Gegenwart ihre
Schmerzen erneuern, und vielleicht ihr Ende
beſchleunigen?
Mein Freund! verſetzte der Arzt, wo
wir nicht helfen können, ſind wir doch ſchul¬
dig zu lindern, und wie ſehr die Gegenwart
eines geliebten Gegenſtandes der Einbildungs¬
kraft ihre zerſtöhrende Gewalt nimmt, und
die Sehnſucht in ein ruhiges Schauen ver¬
wandelt, davon habe ich die wichtigſten
Beyſpiele. Alles mit Maaß und Ziel! Denn
eben ſo kann die Gegenwart eine verlö¬
ſchende Leidenſchaft wieder anfachen. Sehen
Sie das gute Kind, betragen Sie ſich freund¬
lich, und laſſen Sie uns abwarten, was
daraus entſteht.
Natalie kam eben zurück, und verlangte,
daß Wilhelm ihr zu Mignon folgen ſollte.
Sie ſcheint mit Felix ganz glücklich zu ſeyn,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/288>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.