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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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ich auf einmal Ihre Voreltern und den gan¬
zen Kreis, dem Sie angehören, überschaue.

Ja! versetzte Natalie, Sie könnten in ei¬
nem gewissen Sinne nicht besser von uns
unterrichtet seyn, als durch den Aufsatz un¬
serer Tante; freylich hat ihre Neigung zu
mir sie zu viel Gutes von dem Kinde sagen
lassen. Wenn man von einem Kinde redet,
spricht man niemals den Gegenstand, immer
nur seine Hoffnungen aus.

Wilhelm hatte indessen schnell überdacht,
daß er nun auch von Lothario's Herkunft
und früher Jugend unterrichtet sey; die schöne
Gräfin erschien ihm als Kind mit den Per¬
len ihrer Tante um den Hals; auch er war
diesen Perlen so nahe gewesen, als ihre zar¬
ten liebevollen Lippen sich zu den seinigen
herunter neigten; er suchte diese schönen Er¬
innerungen durch andere Gedanken zu ent¬
fernen. Er lief die Bekanntschaften durch,

ich auf einmal Ihre Voreltern und den gan¬
zen Kreis, dem Sie angehören, überſchaue.

Ja! verſetzte Natalie, Sie könnten in ei¬
nem gewiſſen Sinne nicht beſſer von uns
unterrichtet ſeyn, als durch den Aufſatz un¬
ſerer Tante; freylich hat ihre Neigung zu
mir ſie zu viel Gutes von dem Kinde ſagen
laſſen. Wenn man von einem Kinde redet,
ſpricht man niemals den Gegenſtand, immer
nur ſeine Hoffnungen aus.

Wilhelm hatte indeſſen ſchnell überdacht,
daß er nun auch von Lothario’s Herkunft
und früher Jugend unterrichtet ſey; die ſchöne
Gräfin erſchien ihm als Kind mit den Per¬
len ihrer Tante um den Hals; auch er war
dieſen Perlen ſo nahe geweſen, als ihre zar¬
ten liebevollen Lippen ſich zu den ſeinigen
herunter neigten; er ſuchte dieſe ſchönen Er¬
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fernen. Er lief die Bekanntſchaften durch‚

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[268/0272] ich auf einmal Ihre Voreltern und den gan¬ zen Kreis, dem Sie angehören, überſchaue. Ja! verſetzte Natalie, Sie könnten in ei¬ nem gewiſſen Sinne nicht beſſer von uns unterrichtet ſeyn, als durch den Aufſatz un¬ ſerer Tante; freylich hat ihre Neigung zu mir ſie zu viel Gutes von dem Kinde ſagen laſſen. Wenn man von einem Kinde redet, ſpricht man niemals den Gegenſtand, immer nur ſeine Hoffnungen aus. Wilhelm hatte indeſſen ſchnell überdacht, daß er nun auch von Lothario’s Herkunft und früher Jugend unterrichtet ſey; die ſchöne Gräfin erſchien ihm als Kind mit den Per¬ len ihrer Tante um den Hals; auch er war dieſen Perlen ſo nahe geweſen, als ihre zar¬ ten liebevollen Lippen ſich zu den ſeinigen herunter neigten; er ſuchte dieſe ſchönen Er¬ innerungen durch andere Gedanken zu ent¬ fernen. Er lief die Bekanntſchaften durch‚

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/272>, abgerufen am 25.11.2024.