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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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liebte, der Bräutigam Theresens, an dessen
Statt du dich einzudrängen denkst. Glaubst
du denn jemals einen solchen Eindruck aus¬
zulöschen oder zu verbannen? -- Wäre der
Brief noch nicht fort gewesen, er hätte viel¬
leicht nicht gewagt ihn abzulassen. Glück¬
licher Weise war der Wurf schon gethan,
vielleicht war Therese schon entschieden, nur
die Entfernung deckte noch eine glückliche
Vollendung mit ihrem Schleyer. Gewinn
und Verlust mußten sich bald entscheiden.
Er suchte sich durch alle diese Betrachtungen
zu beruhigen, und doch waren die Bewe¬
gungen seines Herzens beynahe fieberhaft.
Nur wenig Aufmerksamkeit konnte er auf
das wichtige Geschäft wenden, woran ge¬
wissermaßen das Schicksal seines ganzen Ver¬
mögens hing. Ach! wie unbedeutend erscheint
dem Menschen in leidenschaftlichen Augen¬
blicken alles was ihn umgiebt, alles was
ihm angehört.

liebte, der Bräutigam Thereſens, an deſſen
Statt du dich einzudrängen denkſt. Glaubſt
du denn jemals einen ſolchen Eindruck aus¬
zulöſchen oder zu verbannen? — Wäre der
Brief noch nicht fort geweſen, er hätte viel¬
leicht nicht gewagt ihn abzulaſſen. Glück¬
licher Weiſe war der Wurf ſchon gethan,
vielleicht war Thereſe ſchon entſchieden, nur
die Entfernung deckte noch eine glückliche
Vollendung mit ihrem Schleyer. Gewinn
und Verluſt mußten ſich bald entſcheiden.
Er ſuchte ſich durch alle dieſe Betrachtungen
zu beruhigen, und doch waren die Bewe¬
gungen ſeines Herzens beynahe fieberhaft.
Nur wenig Aufmerkſamkeit konnte er auf
das wichtige Geſchäft wenden, woran ge¬
wiſſermaßen das Schickſal ſeines ganzen Ver¬
mögens hing. Ach! wie unbedeutend erſcheint
dem Menſchen in leidenſchaftlichen Augen¬
blicken alles was ihn umgiebt, alles was
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[236/0240] liebte, der Bräutigam Thereſens, an deſſen Statt du dich einzudrängen denkſt. Glaubſt du denn jemals einen ſolchen Eindruck aus¬ zulöſchen oder zu verbannen? — Wäre der Brief noch nicht fort geweſen, er hätte viel¬ leicht nicht gewagt ihn abzulaſſen. Glück¬ licher Weiſe war der Wurf ſchon gethan, vielleicht war Thereſe ſchon entſchieden, nur die Entfernung deckte noch eine glückliche Vollendung mit ihrem Schleyer. Gewinn und Verluſt mußten ſich bald entſcheiden. Er ſuchte ſich durch alle dieſe Betrachtungen zu beruhigen, und doch waren die Bewe¬ gungen ſeines Herzens beynahe fieberhaft. Nur wenig Aufmerkſamkeit konnte er auf das wichtige Geſchäft wenden, woran ge¬ wiſſermaßen das Schickſal ſeines ganzen Ver¬ mögens hing. Ach! wie unbedeutend erſcheint dem Menſchen in leidenſchaftlichen Augen¬ blicken alles was ihn umgiebt, alles was ihm angehört.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/240>, abgerufen am 23.11.2024.