So manches er auch in seinem Leben schon gesehen hatte, so schien ihm doch die menschliche Natur erst durch die Beobach¬ tung des Kindes deutlich zu werden. Das Theater war ihm, wie die Welt, nur als eine Menge ausgeschütteter Würfel vorge¬ kommen, deren jeder einzeln auf seiner Ober¬ fläche bald mehr, bald weniger bedeutet, und die allenfalls, zusammengezählt, eine Summe machen. Hier im Kinde lag ihm, konnte man sagen, ein einzelner Würfel vor, auf dessen vielfachen Seiten der Werth und der Unwerth der menschlichen Natur so deut¬ lich eingegraben war.
Das Verlangen des Kindes nach Unter¬ scheidung wuchs mit jedem Tage. Da es einmal erfahren hatte, daß die Dinge Nah¬ men haben, so wollte es auch den Nahmen von allem hören, es glaubte nicht anders sein Vater müsse alles wissen, quälte ihn oft
W. Meisters Lehrj. 4. P
So manches er auch in ſeinem Leben ſchon geſehen hatte, ſo ſchien ihm doch die menſchliche Natur erſt durch die Beobach¬ tung des Kindes deutlich zu werden. Das Theater war ihm, wie die Welt, nur als eine Menge ausgeſchütteter Würfel vorge¬ kommen, deren jeder einzeln auf ſeiner Ober¬ fläche bald mehr, bald weniger bedeutet, und die allenfalls, zuſammengezählt, eine Summe machen. Hier im Kinde lag ihm, konnte man ſagen, ein einzelner Würfel vor, auf deſſen vielfachen Seiten der Werth und der Unwerth der menſchlichen Natur ſo deut¬ lich eingegraben war.
Das Verlangen des Kindes nach Unter¬ ſcheidung wuchs mit jedem Tage. Da es einmal erfahren hatte, daß die Dinge Nah¬ men haben, ſo wollte es auch den Nahmen von allem hören, es glaubte nicht anders ſein Vater müſſe alles wiſſen, quälte ihn oft
W. Meiſters Lehrj. 4. P
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So manches er auch in ſeinem Leben
ſchon geſehen hatte, ſo ſchien ihm doch die
menſchliche Natur erſt durch die Beobach¬
tung des Kindes deutlich zu werden. Das
Theater war ihm, wie die Welt, nur als
eine Menge ausgeſchütteter Würfel vorge¬
kommen, deren jeder einzeln auf ſeiner Ober¬
fläche bald mehr, bald weniger bedeutet,
und die allenfalls, zuſammengezählt, eine
Summe machen. Hier im Kinde lag ihm,
konnte man ſagen, ein einzelner Würfel vor,
auf deſſen vielfachen Seiten der Werth und
der Unwerth der menſchlichen Natur ſo deut¬
lich eingegraben war.
Das Verlangen des Kindes nach Unter¬
ſcheidung wuchs mit jedem Tage. Da es
einmal erfahren hatte, daß die Dinge Nah¬
men haben, ſo wollte es auch den Nahmen
von allem hören, es glaubte nicht anders
ſein Vater müſſe alles wiſſen, quälte ihn oft
W. Meiſters Lehrj. 4. P
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/229>, abgerufen am 23.11.2024.
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