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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

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ger in Ungewisheit, Dein Endzweck ist er¬
reicht, wo hast Du sie verborgen? Komm,
daß ich sie mit diesem Licht beleuchte! daß
ich wieder ihr holdes Angesicht sehe!

Er hatte die Alte vom Stuhl aufgezo¬
gen, sie sah ihn starr an, die Thränen stürz¬
ten ihr aus den Augen, und ein ungeheurer
Schmerz ergriff sie. Welch ein unglücklicher
Irrthum, rief sie aus, läßt Sie noch einen
Augenblick hoffen! -- Ja, ich habe sie ver¬
borgen, aber unter die Erde, weder das Licht
der Sonne noch eine vertrauliche Kerze wird
ihr holdes Angesicht jemals wieder erleuch¬
ten. Führen Sie den guten Felix an ihr
Grab, und sagen Sie ihm, da liegt deine
Mutter, die dein Vater ungehört verdammt
hat. Das liebe Herz schlägt nicht mehr vor
Ungeduld Sie zu sehen, nicht etwa in einer
benachbarten Kammer wartet sie auf den
Ausgang meiner Erzählung, oder meines

ger in Ungewisheit, Dein Endzweck iſt er¬
reicht, wo haſt Du ſie verborgen? Komm,
daß ich ſie mit dieſem Licht beleuchte! daß
ich wieder ihr holdes Angeſicht ſehe!

Er hatte die Alte vom Stuhl aufgezo¬
gen, ſie ſah ihn ſtarr an, die Thränen ſtürz¬
ten ihr aus den Augen, und ein ungeheurer
Schmerz ergriff ſie. Welch ein unglücklicher
Irrthum, rief ſie aus, läßt Sie noch einen
Augenblick hoffen! — Ja, ich habe ſie ver¬
borgen, aber unter die Erde, weder das Licht
der Sonne noch eine vertrauliche Kerze wird
ihr holdes Angeſicht jemals wieder erleuch¬
ten. Führen Sie den guten Felix an ihr
Grab, und ſagen Sie ihm, da liegt deine
Mutter, die dein Vater ungehört verdammt
hat. Das liebe Herz ſchlägt nicht mehr vor
Ungeduld Sie zu ſehen, nicht etwa in einer
benachbarten Kammer wartet ſie auf den
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[167/0171] ger in Ungewisheit, Dein Endzweck iſt er¬ reicht, wo haſt Du ſie verborgen? Komm, daß ich ſie mit dieſem Licht beleuchte! daß ich wieder ihr holdes Angeſicht ſehe! Er hatte die Alte vom Stuhl aufgezo¬ gen, ſie ſah ihn ſtarr an, die Thränen ſtürz¬ ten ihr aus den Augen, und ein ungeheurer Schmerz ergriff ſie. Welch ein unglücklicher Irrthum, rief ſie aus, läßt Sie noch einen Augenblick hoffen! — Ja, ich habe ſie ver¬ borgen, aber unter die Erde, weder das Licht der Sonne noch eine vertrauliche Kerze wird ihr holdes Angeſicht jemals wieder erleuch¬ ten. Führen Sie den guten Felix an ihr Grab, und ſagen Sie ihm, da liegt deine Mutter, die dein Vater ungehört verdammt hat. Das liebe Herz ſchlägt nicht mehr vor Ungeduld Sie zu ſehen, nicht etwa in einer benachbarten Kammer wartet ſie auf den Ausgang meiner Erzählung, oder meines

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/171>, abgerufen am 27.11.2024.