daß ein Verbrechen durch das andere ent¬ schuldigt werden könne? erzähle! ohne wei¬ tere Anmerkungen zu machen.
So hören Sie, ohne mich zu tadeln! Mariane ward wider meinen Willen die Ihre. Bey diesem Abentheuer habe ich mir wenigstens nichts vorzuwerfen. Norberg kam zurück, er eilte Marianen zu sehen, die ihn kalt und verdrießlich aufnahm, und ihm nicht einen Kuß erlaubte. Ich brauchte meine ganze Kunst, um ihr Betragen zu entschul¬ digen, ich ließ ihn merken, daß ein Beicht¬ vater ihr das Gewissen geschärft habe, und daß man ein Gewissen, so lange es spricht, respectiren. müsse. Ich brachte ihn dahin, daß er ging, und ich versprach ihm mein Bestes zu thun. Er war reich und roh, aber er hatte einen Grund von Gutmüthigkeit, und liebte Marianen auf das äußerste. Er versprach mir Geduld, und ich arbeitete desto
daß ein Verbrechen durch das andere ent¬ ſchuldigt werden könne? erzähle! ohne wei¬ tere Anmerkungen zu machen.
So hören Sie, ohne mich zu tadeln! Mariane ward wider meinen Willen die Ihre. Bey dieſem Abentheuer habe ich mir wenigſtens nichts vorzuwerfen. Norberg kam zurück, er eilte Marianen zu ſehen, die ihn kalt und verdrießlich aufnahm, und ihm nicht einen Kuß erlaubte. Ich brauchte meine ganze Kunſt, um ihr Betragen zu entſchul¬ digen, ich ließ ihn merken, daß ein Beicht¬ vater ihr das Gewiſſen geſchärft habe, und daß man ein Gewiſſen, ſo lange es ſpricht, reſpectiren. müſſe. Ich brachte ihn dahin, daß er ging, und ich verſprach ihm mein Beſtes zu thun. Er war reich und roh, aber er hatte einen Grund von Gutmüthigkeit, und liebte Marianen auf das äußerſte. Er verſprach mir Geduld, und ich arbeitete deſto
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0163"n="159"/>
daß ein Verbrechen durch das andere ent¬<lb/>ſchuldigt werden könne? erzähle! ohne wei¬<lb/>
tere Anmerkungen zu machen.</p><lb/><p>So hören Sie, ohne mich zu tadeln!<lb/>
Mariane ward wider meinen Willen die<lb/>
Ihre. Bey dieſem Abentheuer habe ich mir<lb/>
wenigſtens nichts vorzuwerfen. Norberg kam<lb/>
zurück, er eilte Marianen zu ſehen, die ihn<lb/>
kalt und verdrießlich aufnahm, und ihm nicht<lb/>
einen Kuß erlaubte. Ich brauchte meine<lb/>
ganze Kunſt, um ihr Betragen zu entſchul¬<lb/>
digen, ich ließ ihn merken, daß ein Beicht¬<lb/>
vater ihr das Gewiſſen geſchärft habe, und<lb/>
daß man ein Gewiſſen, ſo lange es ſpricht,<lb/>
reſpectiren. müſſe. Ich brachte ihn dahin,<lb/>
daß er ging, und ich verſprach ihm mein<lb/>
Beſtes zu thun. Er war reich und roh, aber<lb/>
er hatte einen Grund von Gutmüthigkeit,<lb/>
und liebte Marianen auf das äußerſte. Er<lb/>
verſprach mir Geduld, und ich arbeitete deſto<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[159/0163]
daß ein Verbrechen durch das andere ent¬
ſchuldigt werden könne? erzähle! ohne wei¬
tere Anmerkungen zu machen.
So hören Sie, ohne mich zu tadeln!
Mariane ward wider meinen Willen die
Ihre. Bey dieſem Abentheuer habe ich mir
wenigſtens nichts vorzuwerfen. Norberg kam
zurück, er eilte Marianen zu ſehen, die ihn
kalt und verdrießlich aufnahm, und ihm nicht
einen Kuß erlaubte. Ich brauchte meine
ganze Kunſt, um ihr Betragen zu entſchul¬
digen, ich ließ ihn merken, daß ein Beicht¬
vater ihr das Gewiſſen geſchärft habe, und
daß man ein Gewiſſen, ſo lange es ſpricht,
reſpectiren. müſſe. Ich brachte ihn dahin,
daß er ging, und ich verſprach ihm mein
Beſtes zu thun. Er war reich und roh, aber
er hatte einen Grund von Gutmüthigkeit,
und liebte Marianen auf das äußerſte. Er
verſprach mir Geduld, und ich arbeitete deſto
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/163>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.