Die Aussichten eines verdrießlichen Lieb¬ habers, in der nächsten Nacht besser, als gestern aufgenommen zu werden. Und daß man ihm Wort gehalten hat, habe ich mit eignen Augen gesehen, denn er schlich früh vor Tage aus Eurem Hause hinweg.
Sie können ihn gesehen haben; aber was bey uns vorging, wie traurig Mariane diese Nacht, wie verdrießlich ich sie zubrachte, das werden Sie erst jetzt erfahren. Ich will ganz aufrichtig seyn, weder leugnen noch beschöni¬ gen, daß ich Marianen beredete, sich einem gewissen Norberg zu ergeben, sie folgte, ja ich kann sagen sie gehorchte mir mit Wider¬ willen; er war reich, er schien verliebt, und ich hoffte er werde beständig seyn. Gleich darauf mußte er eine Reise machen, und Mariane lernte Sie kennen, was hatte ich da nicht auszustehen! was zu hindern! was
Was enthielt das Papier?
Die Ausſichten eines verdrießlichen Lieb¬ habers, in der nächſten Nacht beſſer, als geſtern aufgenommen zu werden. Und daß man ihm Wort gehalten hat, habe ich mit eignen Augen geſehen, denn er ſchlich früh vor Tage aus Eurem Hauſe hinweg.
Sie können ihn geſehen haben; aber was bey uns vorging, wie traurig Mariane dieſe Nacht, wie verdrießlich ich ſie zubrachte, das werden Sie erſt jetzt erfahren. Ich will ganz aufrichtig ſeyn, weder leugnen noch beſchöni¬ gen, daß ich Marianen beredete, ſich einem gewiſſen Norberg zu ergeben, ſie folgte, ja ich kann ſagen ſie gehorchte mir mit Wider¬ willen; er war reich, er ſchien verliebt, und ich hoffte er werde beſtändig ſeyn. Gleich darauf mußte er eine Reiſe machen, und Mariane lernte Sie kennen, was hatte ich da nicht auszuſtehen! was zu hindern! was
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0159"n="155"/><p>Was enthielt das Papier?</p><lb/><p>Die Ausſichten eines verdrießlichen Lieb¬<lb/>
habers, in der nächſten Nacht beſſer, als<lb/>
geſtern aufgenommen zu werden. Und daß<lb/>
man ihm Wort gehalten hat, habe ich mit<lb/>
eignen Augen geſehen, denn er ſchlich früh<lb/>
vor Tage aus Eurem Hauſe hinweg.</p><lb/><p>Sie können ihn geſehen haben; aber was<lb/>
bey uns vorging, wie traurig Mariane dieſe<lb/>
Nacht, wie verdrießlich ich ſie zubrachte, das<lb/>
werden Sie erſt jetzt erfahren. Ich will ganz<lb/>
aufrichtig ſeyn, weder leugnen noch beſchöni¬<lb/>
gen, daß ich Marianen beredete, ſich einem<lb/>
gewiſſen Norberg zu ergeben, ſie folgte, ja<lb/>
ich kann ſagen ſie gehorchte mir mit Wider¬<lb/>
willen; er war reich, er ſchien verliebt, und<lb/>
ich hoffte er werde beſtändig ſeyn. Gleich<lb/>
darauf mußte er eine Reiſe machen, und<lb/>
Mariane lernte Sie kennen, was hatte ich<lb/>
da nicht auszuſtehen! was zu hindern! was<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[155/0159]
Was enthielt das Papier?
Die Ausſichten eines verdrießlichen Lieb¬
habers, in der nächſten Nacht beſſer, als
geſtern aufgenommen zu werden. Und daß
man ihm Wort gehalten hat, habe ich mit
eignen Augen geſehen, denn er ſchlich früh
vor Tage aus Eurem Hauſe hinweg.
Sie können ihn geſehen haben; aber was
bey uns vorging, wie traurig Mariane dieſe
Nacht, wie verdrießlich ich ſie zubrachte, das
werden Sie erſt jetzt erfahren. Ich will ganz
aufrichtig ſeyn, weder leugnen noch beſchöni¬
gen, daß ich Marianen beredete, ſich einem
gewiſſen Norberg zu ergeben, ſie folgte, ja
ich kann ſagen ſie gehorchte mir mit Wider¬
willen; er war reich, er ſchien verliebt, und
ich hoffte er werde beſtändig ſeyn. Gleich
darauf mußte er eine Reiſe machen, und
Mariane lernte Sie kennen, was hatte ich
da nicht auszuſtehen! was zu hindern! was
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/159>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.