Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

sein Spiel zu meinem Lobe so lange, bis
endlich Lothario mich erkannte. Der Neffe
secundirte meine Absicht, als wenn wir es
abgeredet hätten, umständlich erzählte er,
und dankbar, was ich für die Güter der
Tante und also auch für ihn gethan hatte.

Lothario hörte mit Aufmerksamkeit zu,
unterhielt sich mit mir, fragte nach allen
Verhältnissen der Güter und der Gegend,
und ich war froh, meine Kenntnisse vor ihm
ausbreiten zu können; ich bestand in meinem
Examen sehr gut, ich legte ihm einige Vor¬
schläge zu gewissen Verbesserungen zur Prü¬
fung vor, er billigte sie, erzählte mir ähn¬
liche Beyspiele, und verstärkte meine Gründe
durch den Zusammenhang, den er ihnen gab;
meine Zufriedenheit wuchs mit jedem Augen¬
blick. Aber glücklicher Weise wollte ich nur
gekannt, wollte nicht geliebt seyn, denn --
wir kamen nach Hause, und ich bemerkte

G

ſein Spiel zu meinem Lobe ſo lange, bis
endlich Lothario mich erkannte. Der Neffe
ſecundirte meine Abſicht, als wenn wir es
abgeredet hätten, umſtändlich erzählte er,
und dankbar, was ich für die Güter der
Tante und alſo auch für ihn gethan hatte.

Lothario hörte mit Aufmerkſamkeit zu,
unterhielt ſich mit mir, fragte nach allen
Verhältniſſen der Güter und der Gegend,
und ich war froh, meine Kenntniſſe vor ihm
ausbreiten zu können; ich beſtand in meinem
Examen ſehr gut, ich legte ihm einige Vor¬
ſchläge zu gewiſſen Verbeſſerungen zur Prü¬
fung vor, er billigte ſie, erzählte mir ähn¬
liche Beyſpiele, und verſtärkte meine Gründe
durch den Zuſammenhang, den er ihnen gab;
meine Zufriedenheit wuchs mit jedem Augen¬
blick. Aber glücklicher Weiſe wollte ich nur
gekannt, wollte nicht geliebt ſeyn, denn —
wir kamen nach Hauſe, und ich bemerkte

G
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0101" n="97"/>
&#x017F;ein Spiel zu meinem Lobe &#x017F;o lange, bis<lb/>
endlich Lothario mich erkannte. Der Neffe<lb/>
&#x017F;ecundirte meine Ab&#x017F;icht, als wenn wir es<lb/>
abgeredet hätten, um&#x017F;tändlich erzählte er,<lb/>
und dankbar, was ich für die Güter der<lb/>
Tante und al&#x017F;o auch für ihn gethan hatte.</p><lb/>
            <p>Lothario hörte mit Aufmerk&#x017F;amkeit zu,<lb/>
unterhielt &#x017F;ich mit mir, fragte nach allen<lb/>
Verhältni&#x017F;&#x017F;en der Güter und der Gegend,<lb/>
und ich war froh, meine Kenntni&#x017F;&#x017F;e vor ihm<lb/>
ausbreiten zu können; ich be&#x017F;tand in meinem<lb/>
Examen &#x017F;ehr gut, ich legte ihm einige Vor¬<lb/>
&#x017F;chläge zu gewi&#x017F;&#x017F;en Verbe&#x017F;&#x017F;erungen zur Prü¬<lb/>
fung vor, er billigte &#x017F;ie, erzählte mir ähn¬<lb/>
liche Bey&#x017F;piele, und ver&#x017F;tärkte meine Gründe<lb/>
durch den Zu&#x017F;ammenhang, den er ihnen gab;<lb/>
meine Zufriedenheit wuchs mit jedem Augen¬<lb/>
blick. Aber glücklicher Wei&#x017F;e wollte ich nur<lb/>
gekannt, wollte nicht geliebt &#x017F;eyn, denn &#x2014;<lb/>
wir kamen nach Hau&#x017F;e, und ich bemerkte<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97/0101] ſein Spiel zu meinem Lobe ſo lange, bis endlich Lothario mich erkannte. Der Neffe ſecundirte meine Abſicht, als wenn wir es abgeredet hätten, umſtändlich erzählte er, und dankbar, was ich für die Güter der Tante und alſo auch für ihn gethan hatte. Lothario hörte mit Aufmerkſamkeit zu, unterhielt ſich mit mir, fragte nach allen Verhältniſſen der Güter und der Gegend, und ich war froh, meine Kenntniſſe vor ihm ausbreiten zu können; ich beſtand in meinem Examen ſehr gut, ich legte ihm einige Vor¬ ſchläge zu gewiſſen Verbeſſerungen zur Prü¬ fung vor, er billigte ſie, erzählte mir ähn¬ liche Beyſpiele, und verſtärkte meine Gründe durch den Zuſammenhang, den er ihnen gab; meine Zufriedenheit wuchs mit jedem Augen¬ blick. Aber glücklicher Weiſe wollte ich nur gekannt, wollte nicht geliebt ſeyn, denn — wir kamen nach Hauſe, und ich bemerkte G

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/101
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 4. Frankfurt (Main) u. a., 1796, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre04_1796/101>, abgerufen am 23.11.2024.