gen dürfe; das Schicksal hingegen müsse im¬ mer fürchterlich seyn, und werde im höchsten Sinne tragisch, wenn es schuldige und un¬ schuldige von einander unabhängige Thaten in eine unglückliche Verknüpfung bringt.
Diese Betrachtungen führten wieder auf den wunderlichen Hamlet, und auf die Eigen¬ heiten dieses Stücks. Der Held, sagte man, hat eigentlich auch nur Gesinnungen; es sind nur Begebenheiten die zu ihm stoßen, und deswegen hat das Stück etwas von dem gedehnten des Romans: weil aber das Schicksal den Plan gezeichnet hat, weil das Stück von einer fürchterlichen That ausgeht, und der Held immer vorwärts zu einer fürchterlichen That gedrängt wird, so ist es im höchsten Sinne tragisch, und leidet keinen andern als einen tragischen Ausgang.
Nun sollte Leseprobe gehalten werden, welche Wilhelm eigentlich als ein Fest an¬
gen dürfe; das Schickſal hingegen müſſe im¬ mer fürchterlich ſeyn, und werde im höchſten Sinne tragiſch, wenn es ſchuldige und un¬ ſchuldige von einander unabhängige Thaten in eine unglückliche Verknüpfung bringt.
Dieſe Betrachtungen führten wieder auf den wunderlichen Hamlet, und auf die Eigen¬ heiten dieſes Stücks. Der Held, ſagte man, hat eigentlich auch nur Geſinnungen; es ſind nur Begebenheiten die zu ihm ſtoßen, und deswegen hat das Stück etwas von dem gedehnten des Romans: weil aber das Schickſal den Plan gezeichnet hat, weil das Stück von einer fürchterlichen That ausgeht, und der Held immer vorwärts zu einer fürchterlichen That gedrängt wird, ſo iſt es im höchſten Sinne tragiſch, und leidet keinen andern als einen tragiſchen Ausgang.
Nun ſollte Leſeprobe gehalten werden, welche Wilhelm eigentlich als ein Feſt an¬
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gen dürfe; das Schickſal hingegen müſſe im¬
mer fürchterlich ſeyn, und werde im höchſten
Sinne tragiſch, wenn es ſchuldige und un¬
ſchuldige von einander unabhängige Thaten
in eine unglückliche Verknüpfung bringt.
Dieſe Betrachtungen führten wieder auf
den wunderlichen Hamlet, und auf die Eigen¬
heiten dieſes Stücks. Der Held, ſagte man,
hat eigentlich auch nur Geſinnungen; es ſind
nur Begebenheiten die zu ihm ſtoßen, und
deswegen hat das Stück etwas von dem
gedehnten des Romans: weil aber das
Schickſal den Plan gezeichnet hat, weil das
Stück von einer fürchterlichen That ausgeht,
und der Held immer vorwärts zu einer
fürchterlichen That gedrängt wird, ſo iſt es
im höchſten Sinne tragiſch, und leidet keinen
andern als einen tragiſchen Ausgang.
Nun ſollte Leſeprobe gehalten werden,
welche Wilhelm eigentlich als ein Feſt an¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/83>, abgerufen am 22.11.2024.
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