durch Erdichtung, durch einen Traum von Leidenschaft, seine Seele so nach seinem Wil¬ len zwingt, daß ihre Wirkung sein ganzes Gesicht entfärbt: -- Thränen im Auge! Ver¬ wirrung im Betragen! Gebrochne Stimme! Sein ganzes Wesen von Einem Gefühl durchdrungen! und das alles um nichts -- um Hekuba! -- Was ist Hekuba für ihn oder er für Hekuba, daß er um sie weinen sollte?
Wenn wir nur unsern Mann auf das Theater bringen können, sagte Aurelie.
Wir müssen, versetzte Serlo, ihn nach und nach hinein führen. Bey den Proben mag er die Stelle lesen, und wir sagen daß wir einen Schauspieler, der sie spielen soll, erwarten, und so sehen wir, wie wir ihm näher kommen.
Nachdem sie darüber einig waren, wen¬ dete sich das Gespräch auf den Geist. Wil¬
durch Erdichtung, durch einen Traum von Leidenſchaft, ſeine Seele ſo nach ſeinem Wil¬ len zwingt, daß ihre Wirkung ſein ganzes Geſicht entfärbt: — Thränen im Auge! Ver¬ wirrung im Betragen! Gebrochne Stimme! Sein ganzes Weſen von Einem Gefühl durchdrungen! und das alles um nichts — um Hekuba! — Was iſt Hekuba für ihn oder er für Hekuba, daß er um ſie weinen ſollte?
Wenn wir nur unſern Mann auf das Theater bringen können, ſagte Aurelie.
Wir müſſen, verſetzte Serlo, ihn nach und nach hinein führen. Bey den Proben mag er die Stelle leſen, und wir ſagen daß wir einen Schauſpieler, der ſie ſpielen ſoll, erwarten, und ſo ſehen wir, wie wir ihm näher kommen.
Nachdem ſie darüber einig waren, wen¬ dete ſich das Geſpräch auf den Geiſt. Wil¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0072"n="66"/>
durch Erdichtung, durch einen Traum von<lb/>
Leidenſchaft, ſeine Seele ſo nach ſeinem Wil¬<lb/>
len zwingt, daß ihre Wirkung ſein ganzes<lb/>
Geſicht entfärbt: — Thränen im Auge! Ver¬<lb/>
wirrung im Betragen! Gebrochne Stimme!<lb/>
Sein ganzes Weſen von Einem Gefühl<lb/>
durchdrungen! und das alles um nichts —<lb/>
um Hekuba! — Was iſt Hekuba für ihn<lb/>
oder er für Hekuba, daß er um ſie weinen<lb/>ſollte?</p><lb/><p>Wenn wir nur unſern Mann auf das<lb/>
Theater bringen können, ſagte Aurelie.</p><lb/><p>Wir müſſen, verſetzte Serlo, ihn nach<lb/>
und nach hinein führen. Bey den Proben<lb/>
mag er die Stelle leſen, und wir ſagen daß<lb/>
wir einen Schauſpieler, der ſie ſpielen ſoll,<lb/>
erwarten, und ſo ſehen wir, wie wir ihm<lb/>
näher kommen.</p><lb/><p>Nachdem ſie darüber einig waren, wen¬<lb/>
dete ſich das Geſpräch auf den <hirendition="#g">Geiſt</hi>. Wil¬<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[66/0072]
durch Erdichtung, durch einen Traum von
Leidenſchaft, ſeine Seele ſo nach ſeinem Wil¬
len zwingt, daß ihre Wirkung ſein ganzes
Geſicht entfärbt: — Thränen im Auge! Ver¬
wirrung im Betragen! Gebrochne Stimme!
Sein ganzes Weſen von Einem Gefühl
durchdrungen! und das alles um nichts —
um Hekuba! — Was iſt Hekuba für ihn
oder er für Hekuba, daß er um ſie weinen
ſollte?
Wenn wir nur unſern Mann auf das
Theater bringen können, ſagte Aurelie.
Wir müſſen, verſetzte Serlo, ihn nach
und nach hinein führen. Bey den Proben
mag er die Stelle leſen, und wir ſagen daß
wir einen Schauſpieler, der ſie ſpielen ſoll,
erwarten, und ſo ſehen wir, wie wir ihm
näher kommen.
Nachdem ſie darüber einig waren, wen¬
dete ſich das Geſpräch auf den Geiſt. Wil¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/72>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.