beyde blühende Jünglinge. Es that mir weh, aber bald waren sie vergessen.
Phyllis wuchs nun schnell heran, war ganz gesund und fing an die Welt zu sehen. Der Erbprinz vermählte sich und trat bald darauf nach dem Tode seines Vaters die Re¬ gierung an. Hof und Stadt waren in leb¬ hafter Bewegung. Nun hatte meine Neu¬ gierde mancherley Nahrung. Nun gab es Comödien, Bälle und was sich daran an¬ schließt, und ob uns gleich die Eltern so viel als möglich zurück hielten, so mußte man doch bey Hof, wo ich eingeführt war, erschei¬ nen. Die Fremden strömten herbey, in allen Häusern war große Welt, an uns selbst wa¬ ren einige Cavaliere empfohlen und andre introduzirt, und bey meinem Oheim waren alle Nationen anzutreffen.
Mein ehrlicher Mentor fuhr fort, mich auf eine bescheidene und doch treffende Weise
beyde blühende Jünglinge. Es that mir weh, aber bald waren ſie vergeſſen.
Phyllis wuchs nun ſchnell heran, war ganz geſund und fing an die Welt zu ſehen. Der Erbprinz vermählte ſich und trat bald darauf nach dem Tode ſeines Vaters die Re¬ gierung an. Hof und Stadt waren in leb¬ hafter Bewegung. Nun hatte meine Neu¬ gierde mancherley Nahrung. Nun gab es Comödien, Bälle und was ſich daran an¬ ſchließt, und ob uns gleich die Eltern ſo viel als möglich zurück hielten, ſo mußte man doch bey Hof, wo ich eingeführt war, erſchei¬ nen. Die Fremden ſtrömten herbey, in allen Häuſern war große Welt, an uns ſelbſt wa¬ ren einige Cavaliere empfohlen und andre introduzirt, und bey meinem Oheim waren alle Nationen anzutreffen.
Mein ehrlicher Mentor fuhr fort, mich auf eine beſcheidene und doch treffende Weiſe
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0228"n="222"/>
beyde blühende Jünglinge. Es that mir<lb/>
weh, aber bald waren ſie vergeſſen.</p><lb/><p>Phyllis wuchs nun ſchnell heran, war<lb/>
ganz geſund und fing an die Welt zu ſehen.<lb/>
Der Erbprinz vermählte ſich und trat bald<lb/>
darauf nach dem Tode ſeines Vaters die Re¬<lb/>
gierung an. Hof und Stadt waren in leb¬<lb/>
hafter Bewegung. Nun hatte meine Neu¬<lb/>
gierde mancherley Nahrung. Nun gab es<lb/>
Comödien, Bälle und was ſich daran an¬<lb/>ſchließt, und ob uns gleich die Eltern ſo viel<lb/>
als möglich zurück hielten, ſo mußte man<lb/>
doch bey Hof, wo ich eingeführt war, erſchei¬<lb/>
nen. Die Fremden ſtrömten herbey, in allen<lb/>
Häuſern war große Welt, an uns ſelbſt wa¬<lb/>
ren einige Cavaliere empfohlen und andre<lb/>
introduzirt, und bey meinem Oheim waren<lb/>
alle Nationen anzutreffen.</p><lb/><p>Mein ehrlicher Mentor fuhr fort, mich<lb/>
auf eine beſcheidene und doch treffende Weiſe<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[222/0228]
beyde blühende Jünglinge. Es that mir
weh, aber bald waren ſie vergeſſen.
Phyllis wuchs nun ſchnell heran, war
ganz geſund und fing an die Welt zu ſehen.
Der Erbprinz vermählte ſich und trat bald
darauf nach dem Tode ſeines Vaters die Re¬
gierung an. Hof und Stadt waren in leb¬
hafter Bewegung. Nun hatte meine Neu¬
gierde mancherley Nahrung. Nun gab es
Comödien, Bälle und was ſich daran an¬
ſchließt, und ob uns gleich die Eltern ſo viel
als möglich zurück hielten, ſo mußte man
doch bey Hof, wo ich eingeführt war, erſchei¬
nen. Die Fremden ſtrömten herbey, in allen
Häuſern war große Welt, an uns ſelbſt wa¬
ren einige Cavaliere empfohlen und andre
introduzirt, und bey meinem Oheim waren
alle Nationen anzutreffen.
Mein ehrlicher Mentor fuhr fort, mich
auf eine beſcheidene und doch treffende Weiſe
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/228>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.