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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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an der alten Amme, die ihm denn freylich
allen Willen ließ.

Aber auch diese war seit einiger Zeit so
krank geworden, daß man sie aus dem Hau¬
se in ein stilles Quartier bringen mußte, und
Felix hätte sich ganz allein gesehen, wäre
nicht Mignon auch ihm als ein liebevoller
Schutzgeist erschienen. Auf das artigste un¬
terhielten sich beide Kinder mit einander; sie
lehrte ihn kleine Lieder und er, der ein sehr
gutes Gedächtniß hatte, rezitirte sie oft zur
Verwunderung der Zuhörer. Auch wollte sie
ihm die Landkarten erklären, mit denen sie
sich noch immer sehr abgab, wobey sie je¬
doch nicht mit der besten Methode verfuhr.
Denn eigentlich schien sie bey den Ländern
kein anderes Interesse zu haben, als ob sie
kalt oder warm seyen? Von den Weltpo¬
len, von dem schrecklichen Eise daselbst, und
von der zunehmenden Wärme, je mehr man

an der alten Amme, die ihm denn freylich
allen Willen ließ.

Aber auch dieſe war ſeit einiger Zeit ſo
krank geworden, daß man ſie aus dem Hau¬
ſe in ein ſtilles Quartier bringen mußte, und
Felix hätte ſich ganz allein geſehen, wäre
nicht Mignon auch ihm als ein liebevoller
Schutzgeiſt erſchienen. Auf das artigſte un¬
terhielten ſich beide Kinder mit einander; ſie
lehrte ihn kleine Lieder und er, der ein ſehr
gutes Gedächtniß hatte, rezitirte ſie oft zur
Verwunderung der Zuhörer. Auch wollte ſie
ihm die Landkarten erklären, mit denen ſie
ſich noch immer ſehr abgab, wobey ſie je¬
doch nicht mit der beſten Methode verfuhr.
Denn eigentlich ſchien ſie bey den Ländern
kein anderes Intereſſe zu haben, als ob ſie
kalt oder warm ſeyen? Von den Weltpo¬
len, von dem ſchrecklichen Eiſe daſelbſt, und
von der zunehmenden Wärme, je mehr man

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[9/0015] an der alten Amme, die ihm denn freylich allen Willen ließ. Aber auch dieſe war ſeit einiger Zeit ſo krank geworden, daß man ſie aus dem Hau¬ ſe in ein ſtilles Quartier bringen mußte, und Felix hätte ſich ganz allein geſehen, wäre nicht Mignon auch ihm als ein liebevoller Schutzgeiſt erſchienen. Auf das artigſte un¬ terhielten ſich beide Kinder mit einander; ſie lehrte ihn kleine Lieder und er, der ein ſehr gutes Gedächtniß hatte, rezitirte ſie oft zur Verwunderung der Zuhörer. Auch wollte ſie ihm die Landkarten erklären, mit denen ſie ſich noch immer ſehr abgab, wobey ſie je¬ doch nicht mit der beſten Methode verfuhr. Denn eigentlich ſchien ſie bey den Ländern kein anderes Intereſſe zu haben, als ob ſie kalt oder warm ſeyen? Von den Weltpo¬ len, von dem ſchrecklichen Eiſe daſelbſt, und von der zunehmenden Wärme, je mehr man

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/15>, abgerufen am 24.11.2024.