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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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rere Häuser ergriffen und erhellte die ganze
Gegend. Wilhelm besah das Kind beym ro¬
then Schein der Flamme; er konnte keine
Wunde, kein Blut, ja keine Beule wahrneh¬
men. Er betastete es überall, es gab kein
Zeichen von Schmerz von sich, es beruhigte
sich vielmehr nach und nach und fing an sich
über die Flamme zu verwundern, ja sich über
die schönen, der Ordnung nach, wie eine Il¬
lumination, brennenden Sparren und Gebälke
zu erfreuen.

Wilhelm dachte nicht an die Kleider und
was er sonst verlohren haben konnte, er
fühlte stark wie werth ihm diese beyde mensch¬
liche Geschöpfe seyen, die er einer so großen
Gefahr entronnen sah. Er drückte den Klei¬
nen mit einer ganz neuen Empfindung an
sein Herz, und wollte auch Mignon mit freu¬
diger Zärtlichkeit umarmen, die es aber sanft
ablehnte, ihn bey der Hand nahm und sie
fest hielt.

rere Häuſer ergriffen und erhellte die ganze
Gegend. Wilhelm beſah das Kind beym ro¬
then Schein der Flamme; er konnte keine
Wunde, kein Blut, ja keine Beule wahrneh¬
men. Er betaſtete es überall, es gab kein
Zeichen von Schmerz von ſich, es beruhigte
ſich vielmehr nach und nach und fing an ſich
über die Flamme zu verwundern, ja ſich über
die ſchönen, der Ordnung nach, wie eine Il¬
lumination, brennenden Sparren und Gebälke
zu erfreuen.

Wilhelm dachte nicht an die Kleider und
was er ſonſt verlohren haben konnte, er
fühlte ſtark wie werth ihm dieſe beyde menſch¬
liche Geſchöpfe ſeyen, die er einer ſo großen
Gefahr entronnen ſah. Er drückte den Klei¬
nen mit einer ganz neuen Empfindung an
ſein Herz, und wollte auch Mignon mit freu¬
diger Zärtlichkeit umarmen, die es aber ſanft
ablehnte, ihn bey der Hand nahm und ſie
feſt hielt.

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[137/0143] rere Häuſer ergriffen und erhellte die ganze Gegend. Wilhelm beſah das Kind beym ro¬ then Schein der Flamme; er konnte keine Wunde, kein Blut, ja keine Beule wahrneh¬ men. Er betaſtete es überall, es gab kein Zeichen von Schmerz von ſich, es beruhigte ſich vielmehr nach und nach und fing an ſich über die Flamme zu verwundern, ja ſich über die ſchönen, der Ordnung nach, wie eine Il¬ lumination, brennenden Sparren und Gebälke zu erfreuen. Wilhelm dachte nicht an die Kleider und was er ſonſt verlohren haben konnte, er fühlte ſtark wie werth ihm dieſe beyde menſch¬ liche Geſchöpfe ſeyen, die er einer ſo großen Gefahr entronnen ſah. Er drückte den Klei¬ nen mit einer ganz neuen Empfindung an ſein Herz, und wollte auch Mignon mit freu¬ diger Zärtlichkeit umarmen, die es aber ſanft ablehnte, ihn bey der Hand nahm und ſie feſt hielt.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/143>, abgerufen am 24.11.2024.