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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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in den Arm gebissen. Sie fuhr an ihm die
Treppe hinunter und verschwand.

Als die Gesellschaft in die freye Luft
kam, merkte fast jedes, daß man für diesen
Abend des Guten zu viel genossen hatte.
Ohne Abschied zu nehmen verlor man sich
auseinander.

Wilhelm hatte kaum seine Stube er¬
reicht, als er seine Kleider abwarf und nach
ausgelöschtem Licht ins Bette eilte. Der
Schlaf wollte sogleich sich seiner bemeistern,
allein ein Geräusch das in seiner Stube hin¬
ter dem Ofen zu entstehen schien, machte
ihn aufmerksam. Eben schwebte vor seiner
erhitzten Phantasie das Bild des geharnisch¬
ten Königs; er richtete sich auf, das Gespenst
anzureden, als er sich von zarten Armen um¬
schlungen, seinen Mund mit lebhaften Küssen
verschlossen, und eine Brust an der seinigen
fühlte, die er wegzustoßen nicht Muth hatte.


in den Arm gebiſſen. Sie fuhr an ihm die
Treppe hinunter und verſchwand.

Als die Geſellſchaft in die freye Luft
kam, merkte faſt jedes, daß man für dieſen
Abend des Guten zu viel genoſſen hatte.
Ohne Abſchied zu nehmen verlor man ſich
auseinander.

Wilhelm hatte kaum ſeine Stube er¬
reicht, als er ſeine Kleider abwarf und nach
ausgelöſchtem Licht ins Bette eilte. Der
Schlaf wollte ſogleich ſich ſeiner bemeiſtern,
allein ein Geräuſch das in ſeiner Stube hin¬
ter dem Ofen zu entſtehen ſchien, machte
ihn aufmerkſam. Eben ſchwebte vor ſeiner
erhitzten Phantaſie das Bild des geharniſch¬
ten Königs; er richtete ſich auf, das Geſpenſt
anzureden, als er ſich von zarten Armen um¬
ſchlungen, ſeinen Mund mit lebhaften Küſſen
verſchloſſen, und eine Bruſt an der ſeinigen
fühlte, die er wegzuſtoßen nicht Muth hatte.


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[127/0133] in den Arm gebiſſen. Sie fuhr an ihm die Treppe hinunter und verſchwand. Als die Geſellſchaft in die freye Luft kam, merkte faſt jedes, daß man für dieſen Abend des Guten zu viel genoſſen hatte. Ohne Abſchied zu nehmen verlor man ſich auseinander. Wilhelm hatte kaum ſeine Stube er¬ reicht, als er ſeine Kleider abwarf und nach ausgelöſchtem Licht ins Bette eilte. Der Schlaf wollte ſogleich ſich ſeiner bemeiſtern, allein ein Geräuſch das in ſeiner Stube hin¬ ter dem Ofen zu entſtehen ſchien, machte ihn aufmerkſam. Eben ſchwebte vor ſeiner erhitzten Phantaſie das Bild des geharniſch¬ ten Königs; er richtete ſich auf, das Geſpenſt anzureden, als er ſich von zarten Armen um¬ ſchlungen, ſeinen Mund mit lebhaften Küſſen verſchloſſen, und eine Bruſt an der ſeinigen fühlte, die er wegzuſtoßen nicht Muth hatte.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/133>, abgerufen am 28.11.2024.