mit bekannt zu werden. Was an einem Orte Wirkung that, verfehlte er nicht am andern zu wiederholen, und hatte die herz¬ lichste Schadenfreude, wenn er alle Men¬ schen, auf gleiche Weise, aus dem Stegreife, zum besten haben konnte.
Bey seinem lebhaften, freyen und durch nichts gehinderten Geiste verbesserte er sich, indem er Rollen und Stücke oft wiederholte, sehr geschwind. Bald rezitirte und spielte er dem Sinne gemäßer, als die Muster, die er Anfangs nur nachgeahmt hatte. Auf diesem Wege kam er nach und nach dazu, natürlich zu spielen und doch immer verstellt zu seyn. Er schien hingerissen, und lauerte auf den Effekt, und sein größter Stolz war: die Menschen stufenweise in Bewegung zu setzen. Selbst das tolle Handwerk, das er trieb, nöthigte ihn bald mit einer gewissen Mäßi¬ gung zu verfahren, und so lernte er, theils
mit bekannt zu werden. Was an einem Orte Wirkung that, verfehlte er nicht am andern zu wiederholen, und hatte die herz¬ lichſte Schadenfreude, wenn er alle Men¬ ſchen, auf gleiche Weiſe, aus dem Stegreife, zum beſten haben konnte.
Bey ſeinem lebhaften, freyen und durch nichts gehinderten Geiſte verbeſſerte er ſich, indem er Rollen und Stücke oft wiederholte, ſehr geſchwind. Bald rezitirte und ſpielte er dem Sinne gemäßer, als die Muſter, die er Anfangs nur nachgeahmt hatte. Auf dieſem Wege kam er nach und nach dazu, natürlich zu ſpielen und doch immer verſtellt zu ſeyn. Er ſchien hingeriſſen, und lauerte auf den Effekt, und ſein größter Stolz war: die Menſchen ſtufenweiſe in Bewegung zu ſetzen. Selbſt das tolle Handwerk, das er trieb, nöthigte ihn bald mit einer gewiſſen Mäßi¬ gung zu verfahren, und ſo lernte er, theils
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0359"n="350"/>
mit bekannt zu werden. Was an einem<lb/>
Orte Wirkung that, verfehlte er nicht am<lb/>
andern zu wiederholen, und hatte die herz¬<lb/>
lichſte Schadenfreude, wenn er alle Men¬<lb/>ſchen, auf gleiche Weiſe, aus dem Stegreife,<lb/>
zum beſten haben konnte.</p><lb/><p>Bey ſeinem lebhaften, freyen und durch<lb/>
nichts gehinderten Geiſte verbeſſerte er ſich,<lb/>
indem er Rollen und Stücke oft wiederholte,<lb/>ſehr geſchwind. Bald rezitirte und ſpielte er<lb/>
dem Sinne gemäßer, als die Muſter, die er<lb/>
Anfangs nur nachgeahmt hatte. Auf dieſem<lb/>
Wege kam er nach und nach dazu, natürlich<lb/>
zu ſpielen und doch immer verſtellt zu ſeyn.<lb/>
Er ſchien hingeriſſen, und lauerte auf den<lb/>
Effekt, und ſein größter Stolz war: die<lb/>
Menſchen ſtufenweiſe in Bewegung zu ſetzen.<lb/>
Selbſt das tolle Handwerk, das er trieb,<lb/>
nöthigte ihn bald mit einer gewiſſen Mäßi¬<lb/>
gung zu verfahren, und ſo lernte er, theils<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[350/0359]
mit bekannt zu werden. Was an einem
Orte Wirkung that, verfehlte er nicht am
andern zu wiederholen, und hatte die herz¬
lichſte Schadenfreude, wenn er alle Men¬
ſchen, auf gleiche Weiſe, aus dem Stegreife,
zum beſten haben konnte.
Bey ſeinem lebhaften, freyen und durch
nichts gehinderten Geiſte verbeſſerte er ſich,
indem er Rollen und Stücke oft wiederholte,
ſehr geſchwind. Bald rezitirte und ſpielte er
dem Sinne gemäßer, als die Muſter, die er
Anfangs nur nachgeahmt hatte. Auf dieſem
Wege kam er nach und nach dazu, natürlich
zu ſpielen und doch immer verſtellt zu ſeyn.
Er ſchien hingeriſſen, und lauerte auf den
Effekt, und ſein größter Stolz war: die
Menſchen ſtufenweiſe in Bewegung zu ſetzen.
Selbſt das tolle Handwerk, das er trieb,
nöthigte ihn bald mit einer gewiſſen Mäßi¬
gung zu verfahren, und ſo lernte er, theils
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/359>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.