Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

in ihrem Betragen täglich zu vermehren, und
ihr ganzes Wesen bewegte sich in einer rast¬
losen Stille. Sie konnte nicht seyn, ohne
einen Bindfaden in den Händen zu drehen,
ein Tuch zu kneten, Papier oder Hölzchen zu
kauen. Jedes ihrer Spiele schien nur eine
innere heftige Erschütterung abzuleiten. Das
Einzige, was ihr einige Heiterkeit zu geben
schien, war die Nähe des kleinen Felix, mit
dem sie sich sehr artig abzugeben wußte.

Aurelie, die nach einiger Ruhe gestimmt
war, sich mit ihrem Freunde über einen Ge¬
genstand, der ihr so sehr am Herzen lag,
endlich zu erklären, ward über die Beharr¬
lichkeit der Kleinen diesmal ungeduldig, und
gab ihr zu verstehen, daß sie sich wegbege¬
ben sollte, und man mußte sie endlich, da
alles nicht helfen wollte, ausdrücklich und
wider ihren Willen fortschicken.

Jetzt oder niemals, sagte Aurelie, muß

in ihrem Betragen täglich zu vermehren, und
ihr ganzes Weſen bewegte ſich in einer raſt¬
loſen Stille. Sie konnte nicht ſeyn, ohne
einen Bindfaden in den Händen zu drehen,
ein Tuch zu kneten, Papier oder Hölzchen zu
kauen. Jedes ihrer Spiele ſchien nur eine
innere heftige Erſchütterung abzuleiten. Das
Einzige, was ihr einige Heiterkeit zu geben
ſchien, war die Nähe des kleinen Felix, mit
dem ſie ſich ſehr artig abzugeben wußte.

Aurelie, die nach einiger Ruhe geſtimmt
war, ſich mit ihrem Freunde über einen Ge¬
genſtand, der ihr ſo ſehr am Herzen lag,
endlich zu erklären, ward über die Beharr¬
lichkeit der Kleinen diesmal ungeduldig, und
gab ihr zu verſtehen, daß ſie ſich wegbege¬
ben ſollte, und man mußte ſie endlich, da
alles nicht helfen wollte, ausdrücklich und
wider ihren Willen fortſchicken.

Jetzt oder niemals, ſagte Aurelie, muß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0333" n="324"/>
in ihrem Betragen täglich zu vermehren, und<lb/>
ihr ganzes We&#x017F;en bewegte &#x017F;ich in einer ra&#x017F;<lb/>
lo&#x017F;en Stille. Sie konnte nicht &#x017F;eyn, ohne<lb/>
einen Bindfaden in den Händen zu drehen,<lb/>
ein Tuch zu kneten, Papier oder Hölzchen zu<lb/>
kauen. Jedes ihrer Spiele &#x017F;chien nur eine<lb/>
innere heftige Er&#x017F;chütterung abzuleiten. Das<lb/>
Einzige, was ihr einige Heiterkeit zu geben<lb/>
&#x017F;chien, war die Nähe des kleinen Felix, mit<lb/>
dem &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;ehr artig abzugeben wußte.</p><lb/>
            <p>Aurelie, die nach einiger Ruhe ge&#x017F;timmt<lb/>
war, &#x017F;ich mit ihrem Freunde über einen Ge¬<lb/>
gen&#x017F;tand, der ihr &#x017F;o &#x017F;ehr am Herzen lag,<lb/>
endlich zu erklären, ward über die Beharr¬<lb/>
lichkeit der Kleinen diesmal ungeduldig, und<lb/>
gab ihr zu ver&#x017F;tehen, daß &#x017F;ie &#x017F;ich wegbege¬<lb/>
ben &#x017F;ollte, und man mußte &#x017F;ie endlich, da<lb/>
alles nicht helfen wollte, ausdrücklich und<lb/>
wider ihren Willen fort&#x017F;chicken.</p><lb/>
            <p>Jetzt oder niemals, &#x017F;agte Aurelie, muß<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[324/0333] in ihrem Betragen täglich zu vermehren, und ihr ganzes Weſen bewegte ſich in einer raſt¬ loſen Stille. Sie konnte nicht ſeyn, ohne einen Bindfaden in den Händen zu drehen, ein Tuch zu kneten, Papier oder Hölzchen zu kauen. Jedes ihrer Spiele ſchien nur eine innere heftige Erſchütterung abzuleiten. Das Einzige, was ihr einige Heiterkeit zu geben ſchien, war die Nähe des kleinen Felix, mit dem ſie ſich ſehr artig abzugeben wußte. Aurelie, die nach einiger Ruhe geſtimmt war, ſich mit ihrem Freunde über einen Ge¬ genſtand, der ihr ſo ſehr am Herzen lag, endlich zu erklären, ward über die Beharr¬ lichkeit der Kleinen diesmal ungeduldig, und gab ihr zu verſtehen, daß ſie ſich wegbege¬ ben ſollte, und man mußte ſie endlich, da alles nicht helfen wollte, ausdrücklich und wider ihren Willen fortſchicken. Jetzt oder niemals, ſagte Aurelie, muß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/333
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/333>, abgerufen am 24.11.2024.