dachte nicht mehr an Welt und Nation. Mit der Welt hatte ich nichts zu theilen, und den Begriff von Nation hatte ich ver¬ loren. Wenn ich auftrat, that ich's um zu leben, ich öffnete den Mund nur, weil ich nicht schweigen durfte, weil ich doch heraus gekommen war, um zu reden.
Doch, daß ich es nicht zu arg mache, eigentlich hatte ich mich ganz in die Absicht meines Bruders ergeben; ihm war um Bey¬ fall und Geld zu thun; denn, unter uns, er hört sich gerne loben und braucht viel. Ich spielte nun nicht mehr nach meinem Gefühl, nach meiner Überzeugung, sondern wie er mich anwies, und wenn ich es ihm zu Danke gemacht hatte, war ich zufrieden. Er rich¬ tete sich nach allen Schwächen des Publi¬ kums; es ging Geld ein, er konnte nach sei¬ ner Willkühr leben, und wir hatten gute Tage mit ihm.
Ich
dachte nicht mehr an Welt und Nation. Mit der Welt hatte ich nichts zu theilen, und den Begriff von Nation hatte ich ver¬ loren. Wenn ich auftrat, that ich’s um zu leben, ich öffnete den Mund nur, weil ich nicht ſchweigen durfte, weil ich doch heraus gekommen war, um zu reden.
Doch, daß ich es nicht zu arg mache, eigentlich hatte ich mich ganz in die Abſicht meines Bruders ergeben; ihm war um Bey¬ fall und Geld zu thun; denn, unter uns, er hört ſich gerne loben und braucht viel. Ich ſpielte nun nicht mehr nach meinem Gefühl, nach meiner Überzeugung, ſondern wie er mich anwies, und wenn ich es ihm zu Danke gemacht hatte, war ich zufrieden. Er rich¬ tete ſich nach allen Schwächen des Publi¬ kums; es ging Geld ein, er konnte nach ſei¬ ner Willkühr leben, und wir hatten gute Tage mit ihm.
Ich
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dachte nicht mehr an Welt und Nation.
Mit der Welt hatte ich nichts zu theilen,
und den Begriff von Nation hatte ich ver¬
loren. Wenn ich auftrat, that ich’s um zu
leben, ich öffnete den Mund nur, weil ich
nicht ſchweigen durfte, weil ich doch heraus
gekommen war, um zu reden.
Doch, daß ich es nicht zu arg mache,
eigentlich hatte ich mich ganz in die Abſicht
meines Bruders ergeben; ihm war um Bey¬
fall und Geld zu thun; denn, unter uns, er
hört ſich gerne loben und braucht viel. Ich
ſpielte nun nicht mehr nach meinem Gefühl,
nach meiner Überzeugung, ſondern wie er
mich anwies, und wenn ich es ihm zu Danke
gemacht hatte, war ich zufrieden. Er rich¬
tete ſich nach allen Schwächen des Publi¬
kums; es ging Geld ein, er konnte nach ſei¬
ner Willkühr leben, und wir hatten gute
Tage mit ihm.
Ich
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/329>, abgerufen am 24.11.2024.
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