zu. Ich hätte mich umbringen können; al¬ lein ich verfiel auf ein ander Extrem: ich verheirathete mich, oder vielmehr ich ließ mich verheirathen. Mein Bruder, der das Theater übernommen hatte, wünschte sehr ei¬ nen Gehülfen zu haben. Seine Wahl fiel auf einen jungen Mann, der mir nicht zu¬ wider war, dem alles mangelte, was mein Bruder besaß, Genie, Leben, Geist und ra¬ sches Wesen; an dem sich aber auch alles fand, was jenem abging: Liebe zur Ordnung, Fleiß, eine köstliche Gabe hauszuhalten, und mit Gelde umzugehen.
Er ist mein Mann geworden, ohne daß ich weiß wie, wir haben zusammen gelebt, ohne daß ich recht weiß warum. Genug, unsre Sachen gingen gut. Wir nahmen viel ein, davon war die Thätigkeit meines Bru¬ ders Ursache; wir kamen gut aus, und das war das Verdienst meines Mannes. Ich
zu. Ich hätte mich umbringen können; al¬ lein ich verfiel auf ein ander Extrem: ich verheirathete mich, oder vielmehr ich ließ mich verheirathen. Mein Bruder, der das Theater übernommen hatte, wünſchte ſehr ei¬ nen Gehülfen zu haben. Seine Wahl fiel auf einen jungen Mann, der mir nicht zu¬ wider war, dem alles mangelte, was mein Bruder beſaß, Genie, Leben, Geiſt und ra¬ ſches Weſen; an dem ſich aber auch alles fand, was jenem abging: Liebe zur Ordnung, Fleiß, eine köſtliche Gabe hauszuhalten, und mit Gelde umzugehen.
Er iſt mein Mann geworden, ohne daß ich weiß wie, wir haben zuſammen gelebt, ohne daß ich recht weiß warum. Genug, unſre Sachen gingen gut. Wir nahmen viel ein, davon war die Thätigkeit meines Bru¬ ders Urſache; wir kamen gut aus, und das war das Verdienſt meines Mannes. Ich
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zu. Ich hätte mich umbringen können; al¬
lein ich verfiel auf ein ander Extrem: ich
verheirathete mich, oder vielmehr ich ließ
mich verheirathen. Mein Bruder, der das
Theater übernommen hatte, wünſchte ſehr ei¬
nen Gehülfen zu haben. Seine Wahl fiel
auf einen jungen Mann, der mir nicht zu¬
wider war, dem alles mangelte, was mein
Bruder beſaß, Genie, Leben, Geiſt und ra¬
ſches Weſen; an dem ſich aber auch alles
fand, was jenem abging: Liebe zur Ordnung,
Fleiß, eine köſtliche Gabe hauszuhalten, und
mit Gelde umzugehen.
Er iſt mein Mann geworden, ohne daß
ich weiß wie, wir haben zuſammen gelebt,
ohne daß ich recht weiß warum. Genug,
unſre Sachen gingen gut. Wir nahmen viel
ein, davon war die Thätigkeit meines Bru¬
ders Urſache; wir kamen gut aus, und das
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/328>, abgerufen am 24.11.2024.
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