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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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Zwölftes Capitel.

Die sanften Lockungen des lieben Schutzgei¬
stes, anstatt unsern Freund auf irgend einen
Weg zu führen, nährten und vermehrten die
Unruhe, die er vorher empfunden hatte. Eine
heimliche Gluth schlich in seinen Adern, be¬
stimmte und unbestimmte Gegenstände wech¬
selten in seiner Seele, und erregten ein end¬
loses Verlangen. Bald wünschte er sich ein
Roß, bald Flügel, und indem es ihm un¬
möglich schien, bleiben zu können, sah er sich
erst um, wohin er denn eigentlich begehre.

Der Faden seines Schicksals hatte sich so
sonderbar verworren; er wünschte die seltsa¬
men Knoten aufgelöst oder zerschnitten zu se¬
hen. Oft wenn er ein Pferd traben oder
einen Wagen rollen hörte, schaute er eilig

Zwölftes Capitel.

Die ſanften Lockungen des lieben Schutzgei¬
ſtes, anſtatt unſern Freund auf irgend einen
Weg zu führen, nährten und vermehrten die
Unruhe, die er vorher empfunden hatte. Eine
heimliche Gluth ſchlich in ſeinen Adern, be¬
ſtimmte und unbeſtimmte Gegenſtände wech¬
ſelten in ſeiner Seele, und erregten ein end¬
loſes Verlangen. Bald wünſchte er ſich ein
Roß, bald Flügel, und indem es ihm un¬
möglich ſchien, bleiben zu können, ſah er ſich
erſt um, wohin er denn eigentlich begehre.

Der Faden ſeines Schickſals hatte ſich ſo
ſonderbar verworren; er wünſchte die ſeltſa¬
men Knoten aufgelöſt oder zerſchnitten zu ſe¬
hen. Oft wenn er ein Pferd traben oder
einen Wagen rollen hörte, ſchaute er eilig

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[267/0276] Zwölftes Capitel. Die ſanften Lockungen des lieben Schutzgei¬ ſtes, anſtatt unſern Freund auf irgend einen Weg zu führen, nährten und vermehrten die Unruhe, die er vorher empfunden hatte. Eine heimliche Gluth ſchlich in ſeinen Adern, be¬ ſtimmte und unbeſtimmte Gegenſtände wech¬ ſelten in ſeiner Seele, und erregten ein end¬ loſes Verlangen. Bald wünſchte er ſich ein Roß, bald Flügel, und indem es ihm un¬ möglich ſchien, bleiben zu können, ſah er ſich erſt um, wohin er denn eigentlich begehre. Der Faden ſeines Schickſals hatte ſich ſo ſonderbar verworren; er wünſchte die ſeltſa¬ men Knoten aufgelöſt oder zerſchnitten zu ſe¬ hen. Oft wenn er ein Pferd traben oder einen Wagen rollen hörte, ſchaute er eilig

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/276>, abgerufen am 25.11.2024.