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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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Es ist mein Koffer, sagte Philine, und
ich werde ihn nicht eher aufmachen, bis es
mir beliebt. Ihre Paar Fittige, die ich Ihnen
aufgehoben, können wenig betragen, und
wenn sie an die redlichsten Juden verkauft
werden. Denken Sie an sich, was Ihre Hei¬
lung kosten, was Ihnen in einem fremden
Lande begegnen kann.

Sie werden mir, Philine, versetzte Wil¬
helm, nichts vorenthalten, was mein ist, und
das wenige wird uns aus der ersten Verle¬
genheit retten. Allein der Mensch besitzt
noch manches, womit er seinen Freunden bey¬
stehen kann, das eben nicht klingende Münze
zu seyn braucht. Alles was in mir ist, soll
diesen Unglücklichen gewidmet seyn, die ge¬
wis, wenn sie wieder zu sich selbst kommen,
ihr gegenwärtiges Betragen bereuen werden.
Ja, fuhr er fort, ich fühle daß ihr bedürft,
und was ich vermag, will ich euch leisten,

Es iſt mein Koffer, ſagte Philine, und
ich werde ihn nicht eher aufmachen, bis es
mir beliebt. Ihre Paar Fittige, die ich Ihnen
aufgehoben, können wenig betragen, und
wenn ſie an die redlichſten Juden verkauft
werden. Denken Sie an ſich, was Ihre Hei¬
lung koſten, was Ihnen in einem fremden
Lande begegnen kann.

Sie werden mir, Philine, verſetzte Wil¬
helm, nichts vorenthalten, was mein iſt, und
das wenige wird uns aus der erſten Verle¬
genheit retten. Allein der Menſch beſitzt
noch manches, womit er ſeinen Freunden bey¬
ſtehen kann, das eben nicht klingende Münze
zu ſeyn braucht. Alles was in mir iſt, ſoll
dieſen Unglücklichen gewidmet ſeyn, die ge¬
wis, wenn ſie wieder zu ſich ſelbſt kommen,
ihr gegenwärtiges Betragen bereuen werden.
Ja, fuhr er fort, ich fühle daß ihr bedürft,
und was ich vermag, will ich euch leiſten,

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[244/0252] Es iſt mein Koffer, ſagte Philine, und ich werde ihn nicht eher aufmachen, bis es mir beliebt. Ihre Paar Fittige, die ich Ihnen aufgehoben, können wenig betragen, und wenn ſie an die redlichſten Juden verkauft werden. Denken Sie an ſich, was Ihre Hei¬ lung koſten, was Ihnen in einem fremden Lande begegnen kann. Sie werden mir, Philine, verſetzte Wil¬ helm, nichts vorenthalten, was mein iſt, und das wenige wird uns aus der erſten Verle¬ genheit retten. Allein der Menſch beſitzt noch manches, womit er ſeinen Freunden bey¬ ſtehen kann, das eben nicht klingende Münze zu ſeyn braucht. Alles was in mir iſt, ſoll dieſen Unglücklichen gewidmet ſeyn, die ge¬ wis, wenn ſie wieder zu ſich ſelbſt kommen, ihr gegenwärtiges Betragen bereuen werden. Ja, fuhr er fort, ich fühle daß ihr bedürft, und was ich vermag, will ich euch leiſten,

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/252>, abgerufen am 22.11.2024.