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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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die köstlichen Stücke, die ich durch Ihre Gü¬
tigkeit habe kennen lernen. Sie scheinen ein
Werk eines himmlischen Genius zu seyn, der
sich den Menschen nähert, um sie mit sich
selbst auf die gelindeste Weise bekannt zu
machen. Es sind keine Gedichte! man glaubt
vor den aufgeschlagenen, ungeheuren Bü¬
chern des Schicksals zu stehen, in denen der
Sturmwind des bewegtesten Lebens saust,
und sie mit Gewalt rasch hin und wieder
blättert. Ich bin über die Stärke und Zart¬
heit, über die Gewalt und Ruhe so erstaunt,
und ausser aller Fassung gebracht, daß ich
nur mit Sehnsucht auf die Zeit warte, da
ich mich in einem Zustande befinden werde,
weiter zu lesen.

Bravo, sagte Jarno, indem er unserm
Freunde die Hand reichte und sie ihm drück¬
te, so wollte ich es haben! und die Folgen,
die ich hoffe, werden gewiß auch nicht aus¬
bleiben. --

die köſtlichen Stücke, die ich durch Ihre Gü¬
tigkeit habe kennen lernen. Sie ſcheinen ein
Werk eines himmliſchen Genius zu ſeyn, der
ſich den Menſchen nähert, um ſie mit ſich
ſelbſt auf die gelindeſte Weiſe bekannt zu
machen. Es ſind keine Gedichte! man glaubt
vor den aufgeſchlagenen, ungeheuren Bü¬
chern des Schickſals zu ſtehen, in denen der
Sturmwind des bewegteſten Lebens ſauſt,
und ſie mit Gewalt raſch hin und wieder
blättert. Ich bin über die Stärke und Zart¬
heit, über die Gewalt und Ruhe ſo erſtaunt,
und auſſer aller Faſſung gebracht, daß ich
nur mit Sehnſucht auf die Zeit warte, da
ich mich in einem Zuſtande befinden werde,
weiter zu leſen.

Bravo, ſagte Jarno, indem er unſerm
Freunde die Hand reichte und ſie ihm drück¬
te, ſo wollte ich es haben! und die Folgen,
die ich hoffe, werden gewiß auch nicht aus¬
bleiben. —

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[132/0140] die köſtlichen Stücke, die ich durch Ihre Gü¬ tigkeit habe kennen lernen. Sie ſcheinen ein Werk eines himmliſchen Genius zu ſeyn, der ſich den Menſchen nähert, um ſie mit ſich ſelbſt auf die gelindeſte Weiſe bekannt zu machen. Es ſind keine Gedichte! man glaubt vor den aufgeſchlagenen, ungeheuren Bü¬ chern des Schickſals zu ſtehen, in denen der Sturmwind des bewegteſten Lebens ſauſt, und ſie mit Gewalt raſch hin und wieder blättert. Ich bin über die Stärke und Zart¬ heit, über die Gewalt und Ruhe ſo erſtaunt, und auſſer aller Faſſung gebracht, daß ich nur mit Sehnſucht auf die Zeit warte, da ich mich in einem Zuſtande befinden werde, weiter zu leſen. Bravo, ſagte Jarno, indem er unſerm Freunde die Hand reichte und ſie ihm drück¬ te, ſo wollte ich es haben! und die Folgen, die ich hoffe, werden gewiß auch nicht aus¬ bleiben. —

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/140>, abgerufen am 22.11.2024.