Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

und nur mit Mühe zu seinen Kameraden
hinauf kroch, die, so sehr sie sich entrüstet
stellten, über diesen Unfall ihre heimliche
Freude fühlten, und sich kaum des Lachens
erwehren konnten, als sie ihn so wohl durch¬
walkt und seinen neuen braunen Rock über
und über weiß, als wenn er mit Müllern
Händel gehabt, bestäubt und befleckt sahen.

Der Graf, der sogleich hiervon Nachricht
erhielt, brach in einen unbeschreiblichen Zorn
aus. Er behandelte diese That als das
größte Verbrechen, qualifizirte sie zu einem
beleidigten Burgfrieden, und ließ durch sei¬
nen Gerichtshalter die strengste Inquisition
vornehmen. Der weißbestäubte Rock sollte
eine Hauptanzeige geben. Alles was nur
irgend mit Puder und Mehl im Schlosse zu
schaffen haben konnte, wurde mit in die Un¬
tersuchung gezogen, jedoch vergebens.

Der Baron versicherte bey seiner Ehre

feyer¬

und nur mit Mühe zu ſeinen Kameraden
hinauf kroch, die, ſo ſehr ſie ſich entrüſtet
ſtellten, über dieſen Unfall ihre heimliche
Freude fühlten, und ſich kaum des Lachens
erwehren konnten, als ſie ihn ſo wohl durch¬
walkt und ſeinen neuen braunen Rock über
und über weiß, als wenn er mit Müllern
Händel gehabt, beſtäubt und befleckt ſahen.

Der Graf, der ſogleich hiervon Nachricht
erhielt, brach in einen unbeſchreiblichen Zorn
aus. Er behandelte dieſe That als das
größte Verbrechen, qualifizirte ſie zu einem
beleidigten Burgfrieden, und ließ durch ſei¬
nen Gerichtshalter die ſtrengſte Inquiſition
vornehmen. Der weißbeſtäubte Rock ſollte
eine Hauptanzeige geben. Alles was nur
irgend mit Puder und Mehl im Schloſſe zu
ſchaffen haben konnte, wurde mit in die Un¬
terſuchung gezogen, jedoch vergebens.

Der Baron verſicherte bey ſeiner Ehre

feyer¬
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0120" n="112"/>
und nur mit Mühe zu &#x017F;einen Kameraden<lb/>
hinauf kroch, die, &#x017F;o &#x017F;ehr &#x017F;ie &#x017F;ich entrü&#x017F;tet<lb/>
&#x017F;tellten, über die&#x017F;en Unfall ihre heimliche<lb/>
Freude fühlten, und &#x017F;ich kaum des Lachens<lb/>
erwehren konnten, als &#x017F;ie ihn &#x017F;o wohl durch¬<lb/>
walkt und &#x017F;einen neuen braunen Rock über<lb/>
und über weiß, als wenn er mit Müllern<lb/>
Händel gehabt, be&#x017F;täubt und befleckt &#x017F;ahen.</p><lb/>
            <p>Der Graf, der &#x017F;ogleich hiervon Nachricht<lb/>
erhielt, brach in einen unbe&#x017F;chreiblichen Zorn<lb/>
aus. Er behandelte die&#x017F;e That als das<lb/>
größte Verbrechen, qualifizirte &#x017F;ie zu einem<lb/>
beleidigten Burgfrieden, und ließ durch &#x017F;ei¬<lb/>
nen Gerichtshalter die &#x017F;treng&#x017F;te Inqui&#x017F;ition<lb/>
vornehmen. Der weißbe&#x017F;täubte Rock &#x017F;ollte<lb/>
eine Hauptanzeige geben. Alles was nur<lb/>
irgend mit Puder und Mehl im Schlo&#x017F;&#x017F;e zu<lb/>
&#x017F;chaffen haben konnte, wurde mit in die Un¬<lb/>
ter&#x017F;uchung gezogen, jedoch vergebens.</p><lb/>
            <p>Der Baron ver&#x017F;icherte bey &#x017F;einer Ehre<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">feyer¬<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0120] und nur mit Mühe zu ſeinen Kameraden hinauf kroch, die, ſo ſehr ſie ſich entrüſtet ſtellten, über dieſen Unfall ihre heimliche Freude fühlten, und ſich kaum des Lachens erwehren konnten, als ſie ihn ſo wohl durch¬ walkt und ſeinen neuen braunen Rock über und über weiß, als wenn er mit Müllern Händel gehabt, beſtäubt und befleckt ſahen. Der Graf, der ſogleich hiervon Nachricht erhielt, brach in einen unbeſchreiblichen Zorn aus. Er behandelte dieſe That als das größte Verbrechen, qualifizirte ſie zu einem beleidigten Burgfrieden, und ließ durch ſei¬ nen Gerichtshalter die ſtrengſte Inquiſition vornehmen. Der weißbeſtäubte Rock ſollte eine Hauptanzeige geben. Alles was nur irgend mit Puder und Mehl im Schloſſe zu ſchaffen haben konnte, wurde mit in die Un¬ terſuchung gezogen, jedoch vergebens. Der Baron verſicherte bey ſeiner Ehre feyer¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/120
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/120>, abgerufen am 25.11.2024.