Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Klugheit abzulehnen wußte. So kam der
Pedant zum Rufe eines Dichters, eines Witz¬
lings, und in den Augen derer, die dem Ba¬
ron günstig waren, eines Pasquillanten und
schlechten Menschen. Von der Zeit an ap¬
plaudirte ihn der Graf nur immer mehr, er
mochte seine Rolle spielen wie er wollte, so
daß der arme Mensch zuletzt aufgeblasen, ja
beynahe verrückt wurde, und darauf sann,
gleich Philinen ein Zimmer im neuen Schlosse
zu beziehen.

Wäre dieser Plan sogleich zu vollführen
gewesen, so möchte er einen großen Unfall
vermieden haben. Denn als er eines Abends
spät nach dem alten Schlosse ging, und in
dem dunkeln engen Wege herum tappte,
ward er auf einmal angefallen, von einigen
Personen festgehalten, indessen andere auf
ihn wacker losschlugen, und ihn im Finstern
so zerdraschen, daß er beynahe liegen blieb,

Klugheit abzulehnen wußte. So kam der
Pedant zum Rufe eines Dichters, eines Witz¬
lings, und in den Augen derer, die dem Ba¬
ron günſtig waren, eines Pasquillanten und
ſchlechten Menſchen. Von der Zeit an ap¬
plaudirte ihn der Graf nur immer mehr, er
mochte ſeine Rolle ſpielen wie er wollte, ſo
daß der arme Menſch zuletzt aufgeblaſen, ja
beynahe verrückt wurde, und darauf ſann,
gleich Philinen ein Zimmer im neuen Schloſſe
zu beziehen.

Wäre dieſer Plan ſogleich zu vollführen
geweſen, ſo möchte er einen großen Unfall
vermieden haben. Denn als er eines Abends
ſpät nach dem alten Schloſſe ging, und in
dem dunkeln engen Wege herum tappte,
ward er auf einmal angefallen, von einigen
Perſonen feſtgehalten, indeſſen andere auf
ihn wacker losſchlugen, und ihn im Finſtern
ſo zerdraſchen, daß er beynahe liegen blieb,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0119" n="111"/>
Klugheit abzulehnen wußte. So kam der<lb/>
Pedant zum Rufe eines Dichters, eines Witz¬<lb/>
lings, und in den Augen derer, die dem Ba¬<lb/>
ron gün&#x017F;tig waren, eines Pasquillanten und<lb/>
&#x017F;chlechten Men&#x017F;chen. Von der Zeit an ap¬<lb/>
plaudirte ihn der Graf nur immer mehr, er<lb/>
mochte &#x017F;eine Rolle &#x017F;pielen wie er wollte, &#x017F;o<lb/>
daß der arme Men&#x017F;ch zuletzt aufgebla&#x017F;en, ja<lb/>
beynahe verrückt wurde, und darauf &#x017F;ann,<lb/>
gleich Philinen ein Zimmer im neuen Schlo&#x017F;&#x017F;e<lb/>
zu beziehen.</p><lb/>
            <p>Wäre die&#x017F;er Plan &#x017F;ogleich zu vollführen<lb/>
gewe&#x017F;en, &#x017F;o möchte er einen großen Unfall<lb/>
vermieden haben. Denn als er eines Abends<lb/>
&#x017F;pät nach dem alten Schlo&#x017F;&#x017F;e ging, und in<lb/>
dem dunkeln engen Wege herum tappte,<lb/>
ward er auf einmal angefallen, von einigen<lb/>
Per&#x017F;onen fe&#x017F;tgehalten, inde&#x017F;&#x017F;en andere auf<lb/>
ihn wacker los&#x017F;chlugen, und ihn im Fin&#x017F;tern<lb/>
&#x017F;o zerdra&#x017F;chen, daß er beynahe liegen blieb,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0119] Klugheit abzulehnen wußte. So kam der Pedant zum Rufe eines Dichters, eines Witz¬ lings, und in den Augen derer, die dem Ba¬ ron günſtig waren, eines Pasquillanten und ſchlechten Menſchen. Von der Zeit an ap¬ plaudirte ihn der Graf nur immer mehr, er mochte ſeine Rolle ſpielen wie er wollte, ſo daß der arme Menſch zuletzt aufgeblaſen, ja beynahe verrückt wurde, und darauf ſann, gleich Philinen ein Zimmer im neuen Schloſſe zu beziehen. Wäre dieſer Plan ſogleich zu vollführen geweſen, ſo möchte er einen großen Unfall vermieden haben. Denn als er eines Abends ſpät nach dem alten Schloſſe ging, und in dem dunkeln engen Wege herum tappte, ward er auf einmal angefallen, von einigen Perſonen feſtgehalten, indeſſen andere auf ihn wacker losſchlugen, und ihn im Finſtern ſo zerdraſchen, daß er beynahe liegen blieb,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/119
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/119>, abgerufen am 22.11.2024.