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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

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te er dem alten Werner in die Handlung
gegeben, der als ein thätiger Handelsmann
berühmt war, und dessen Spekulationen ge¬
wöhnlich durch das Glück begünstigt wurden.
Nichts wünschte aber der alte Meister so
sehr, als seinem Sohne Eigenschaften zu ge¬
ben, die ihm selbst fehlten, und seinen Kin¬
dern Güter zu hinterlassen, auf deren Besitz
er den größten Werth legte; so war er ein
besonderer Freund vom Prächtigen, von dem
was in die Augen fällt, was aber auch zu¬
gleich einen innern Werth und eine Dauer
hat. In seinem Hause mußte alles solid
und massiv seyn, der Vorrath reichlich, das
Silbergeschirr schwer, das Tafelservice kost¬
bar; dagegen waren die Gäste selten, denn
eine jede Mahlzeit ward ein Fest, das so¬
wohl wegen der Kosten als wegen der Un¬
bequemlichkeit nicht oft wiederholt werden
konnte. Sein Haushalt ging einen gelasse¬

te er dem alten Werner in die Handlung
gegeben, der als ein thätiger Handelsmann
berühmt war, und deſſen Spekulationen ge¬
wöhnlich durch das Glück begünſtigt wurden.
Nichts wünſchte aber der alte Meiſter ſo
ſehr, als ſeinem Sohne Eigenſchaften zu ge¬
ben, die ihm ſelbſt fehlten, und ſeinen Kin¬
dern Güter zu hinterlaſſen, auf deren Beſitz
er den größten Werth legte; ſo war er ein
beſonderer Freund vom Prächtigen, von dem
was in die Augen fällt, was aber auch zu¬
gleich einen innern Werth und eine Dauer
hat. In ſeinem Hauſe mußte alles ſolid
und maſſiv ſeyn, der Vorrath reichlich, das
Silbergeſchirr ſchwer, das Tafelſervice koſt¬
bar; dagegen waren die Gäſte ſelten, denn
eine jede Mahlzeit ward ein Feſt, das ſo¬
wohl wegen der Koſten als wegen der Un¬
bequemlichkeit nicht oft wiederholt werden
konnte. Sein Haushalt ging einen gelaſſe¬

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[91/0099] te er dem alten Werner in die Handlung gegeben, der als ein thätiger Handelsmann berühmt war, und deſſen Spekulationen ge¬ wöhnlich durch das Glück begünſtigt wurden. Nichts wünſchte aber der alte Meiſter ſo ſehr, als ſeinem Sohne Eigenſchaften zu ge¬ ben, die ihm ſelbſt fehlten, und ſeinen Kin¬ dern Güter zu hinterlaſſen, auf deren Beſitz er den größten Werth legte; ſo war er ein beſonderer Freund vom Prächtigen, von dem was in die Augen fällt, was aber auch zu¬ gleich einen innern Werth und eine Dauer hat. In ſeinem Hauſe mußte alles ſolid und maſſiv ſeyn, der Vorrath reichlich, das Silbergeſchirr ſchwer, das Tafelſervice koſt¬ bar; dagegen waren die Gäſte ſelten, denn eine jede Mahlzeit ward ein Feſt, das ſo¬ wohl wegen der Koſten als wegen der Un¬ bequemlichkeit nicht oft wiederholt werden konnte. Sein Haushalt ging einen gelaſſe¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/99>, abgerufen am 29.11.2024.