Der Unterricht meiner Lehrer dauerte fort, man hatte mich dem Handelsstand gewidmet, und zu unserm Nachbar auf das Comptoir gethan; aber eben zu selbiger Zeit entfernte sich mein Geist nur gewaltsamer von allem, was ich für ein niedriges Geschäft halten mußte. Der Bühne wollte ich meine ganze Thätigkeit widmen, auf ihr mein Glück und meine Zufriedenheit finden.
Ich erinnere mich noch eines Gedichtes, das sich unter meinen Papieren finden muß, in welchem die Muse der tragischen Dicht¬ kunst und eine andere Frauensgestalt, in der ich das Gewerbe personifizirt hatte, sich um meine werthe Person recht wacker zanken. Die Erfindung ist gemein, und ich erinnere mich nicht, ob die Verse etwas taugen; aber Ihr sollt es sehen, um der Furcht, des Abscheues, der Liebe und der Leidenschaft willen, die darin herrschen. Wie ängstlich
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Der Unterricht meiner Lehrer dauerte fort, man hatte mich dem Handelsſtand gewidmet, und zu unſerm Nachbar auf das Comptoir gethan; aber eben zu ſelbiger Zeit entfernte ſich mein Geiſt nur gewaltſamer von allem, was ich für ein niedriges Geſchäft halten mußte. Der Bühne wollte ich meine ganze Thätigkeit widmen, auf ihr mein Glück und meine Zufriedenheit finden.
Ich erinnere mich noch eines Gedichtes, das ſich unter meinen Papieren finden muß, in welchem die Muſe der tragiſchen Dicht¬ kunſt und eine andere Frauensgeſtalt, in der ich das Gewerbe perſonifizirt hatte, ſich um meine werthe Perſon recht wacker zanken. Die Erfindung iſt gemein, und ich erinnere mich nicht, ob die Verſe etwas taugen; aber Ihr ſollt es ſehen, um der Furcht, des Abſcheues, der Liebe und der Leidenſchaft willen, die darin herrſchen. Wie ängſtlich
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Der Unterricht meiner Lehrer dauerte fort,
man hatte mich dem Handelsſtand gewidmet,
und zu unſerm Nachbar auf das Comptoir
gethan; aber eben zu ſelbiger Zeit entfernte
ſich mein Geiſt nur gewaltſamer von allem,
was ich für ein niedriges Geſchäft halten
mußte. Der Bühne wollte ich meine ganze
Thätigkeit widmen, auf ihr mein Glück und
meine Zufriedenheit finden.
Ich erinnere mich noch eines Gedichtes,
das ſich unter meinen Papieren finden muß,
in welchem die Muſe der tragiſchen Dicht¬
kunſt und eine andere Frauensgeſtalt, in der
ich das Gewerbe perſonifizirt hatte, ſich um
meine werthe Perſon recht wacker zanken.
Die Erfindung iſt gemein, und ich erinnere
mich nicht, ob die Verſe etwas taugen; aber
Ihr ſollt es ſehen, um der Furcht, des
Abſcheues, der Liebe und der Leidenſchaft
willen, die darin herrſchen. Wie ängſtlich
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/75>, abgerufen am 24.11.2024.
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