Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

wäre recht artig gewesen, wenn nur dies
oder das nicht versagt hätte.

Mich kränkte das innig, ich ward trau¬
rig für den Abend, hatte aber am kommen¬
den Morgen allen Verdruß schon wieder
verschlafen, und war in dem Gedanken selig,
daß ich, ausser jenem Unglück, trefflich ge¬
spielt habe. Dazu kam der Beyfall der Zu¬
schauer, welche durchaus behaupteten: ob¬
gleich der Lieutenant in Absicht der groben
und feinen Stimme sehr viel gethan habe,
so perorire er doch meist zu affektirt und
steif; dagegen spreche der neue Anfänger sei¬
nen David und Jonathan vortrefflich, be¬
sonders lobte die Mutter den freymüthigen
Ausdruck, wie ich den Goliath herausgefor¬
dert, und dem Könige den bescheidenen Sie¬
ger vorgestellt habe.

Nun blieb zu meiner größten Freude das
Theater aufgeschlagen, und da der Frühling

wäre recht artig geweſen, wenn nur dies
oder das nicht verſagt hätte.

Mich kränkte das innig, ich ward trau¬
rig für den Abend, hatte aber am kommen¬
den Morgen allen Verdruß ſchon wieder
verſchlafen, und war in dem Gedanken ſelig,
daß ich, auſſer jenem Unglück, trefflich ge¬
ſpielt habe. Dazu kam der Beyfall der Zu¬
ſchauer, welche durchaus behaupteten: ob¬
gleich der Lieutenant in Abſicht der groben
und feinen Stimme ſehr viel gethan habe,
ſo perorire er doch meiſt zu affektirt und
ſteif; dagegen ſpreche der neue Anfänger ſei¬
nen David und Jonathan vortrefflich, be¬
ſonders lobte die Mutter den freymüthigen
Ausdruck, wie ich den Goliath herausgefor¬
dert, und dem Könige den beſcheidenen Sie¬
ger vorgeſtellt habe.

Nun blieb zu meiner größten Freude das
Theater aufgeſchlagen, und da der Frühling

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0050" n="42"/>
wäre recht artig gewe&#x017F;en, wenn nur dies<lb/>
oder das nicht ver&#x017F;agt hätte.</p><lb/>
            <p>Mich kränkte das innig, ich ward trau¬<lb/>
rig für den Abend, hatte aber am kommen¬<lb/>
den Morgen allen Verdruß &#x017F;chon wieder<lb/>
ver&#x017F;chlafen, und war in dem Gedanken &#x017F;elig,<lb/>
daß ich, au&#x017F;&#x017F;er jenem Unglück, trefflich ge¬<lb/>
&#x017F;pielt habe. Dazu kam der Beyfall der Zu¬<lb/>
&#x017F;chauer, welche durchaus behaupteten: ob¬<lb/>
gleich der Lieutenant in Ab&#x017F;icht der groben<lb/>
und feinen Stimme &#x017F;ehr viel gethan habe,<lb/>
&#x017F;o perorire er doch mei&#x017F;t zu affektirt und<lb/>
&#x017F;teif; dagegen &#x017F;preche der neue Anfänger &#x017F;ei¬<lb/>
nen David und Jonathan vortrefflich, be¬<lb/>
&#x017F;onders lobte die Mutter den freymüthigen<lb/>
Ausdruck, wie ich den Goliath herausgefor¬<lb/>
dert, und dem Könige den be&#x017F;cheidenen Sie¬<lb/>
ger vorge&#x017F;tellt habe.</p><lb/>
            <p>Nun blieb zu meiner größten Freude das<lb/>
Theater aufge&#x017F;chlagen, und da der Frühling<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0050] wäre recht artig geweſen, wenn nur dies oder das nicht verſagt hätte. Mich kränkte das innig, ich ward trau¬ rig für den Abend, hatte aber am kommen¬ den Morgen allen Verdruß ſchon wieder verſchlafen, und war in dem Gedanken ſelig, daß ich, auſſer jenem Unglück, trefflich ge¬ ſpielt habe. Dazu kam der Beyfall der Zu¬ ſchauer, welche durchaus behaupteten: ob¬ gleich der Lieutenant in Abſicht der groben und feinen Stimme ſehr viel gethan habe, ſo perorire er doch meiſt zu affektirt und ſteif; dagegen ſpreche der neue Anfänger ſei¬ nen David und Jonathan vortrefflich, be¬ ſonders lobte die Mutter den freymüthigen Ausdruck, wie ich den Goliath herausgefor¬ dert, und dem Könige den beſcheidenen Sie¬ ger vorgeſtellt habe. Nun blieb zu meiner größten Freude das Theater aufgeſchlagen, und da der Frühling

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/50
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/50>, abgerufen am 24.11.2024.