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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

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zu Philinen, durch seinen Antheil den er
an Mignon nahm, länger als billig an ei¬
nem Ort und in einer Gesellschaft festgehal¬
ten wurde, in welcher er seine Lieblingsnei¬
gung hegen, gleichsam verstohlen seine Wün¬
sche befriedigen, und ohne sich einen Zweck
vorzusetzen, seinen alten Träumen nachschlei¬
chen konnte. Aus diesen Verhältnissen sich
los zu reissen, und gleich zu scheiden, glaubte
er Kraft genug zu besitzen. Nun hatte er
aber vor wenigen Augenblicken sich mit Me¬
lina in ein Geldgeschäft eingelassen, er hatte
den räthselhaften Alten kennen lernen, wel¬
chen zu entziffern er eine unbeschreibliche Be¬
gierde fühlte. Allein auch dadurch sich nicht
zurück halten zu lassen, war er nach lang hin
und her geworfenen Gedanken entschlossen,
oder glaubte wenigstens entschlossen zu seyn.
Ich muß fort, rief er aus, ich will fort! Er
warf sich in einen Sessel, und war sehr bewegt.

Mig¬

zu Philinen, durch ſeinen Antheil den er
an Mignon nahm, länger als billig an ei¬
nem Ort und in einer Geſellſchaft feſtgehal¬
ten wurde, in welcher er ſeine Lieblingsnei¬
gung hegen, gleichſam verſtohlen ſeine Wün¬
ſche befriedigen, und ohne ſich einen Zweck
vorzuſetzen, ſeinen alten Träumen nachſchlei¬
chen konnte. Aus dieſen Verhältniſſen ſich
los zu reiſſen, und gleich zu ſcheiden, glaubte
er Kraft genug zu beſitzen. Nun hatte er
aber vor wenigen Augenblicken ſich mit Me¬
lina in ein Geldgeſchäft eingelaſſen, er hatte
den räthſelhaften Alten kennen lernen, wel¬
chen zu entziffern er eine unbeſchreibliche Be¬
gierde fühlte. Allein auch dadurch ſich nicht
zurück halten zu laſſen, war er nach lang hin
und her geworfenen Gedanken entſchloſſen,
oder glaubte wenigſtens entſchloſſen zu ſeyn.
Ich muß fort, rief er aus, ich will fort! Er
warf ſich in einen Seſſel, und war ſehr bewegt.

Mig¬
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[360/0368] zu Philinen, durch ſeinen Antheil den er an Mignon nahm, länger als billig an ei¬ nem Ort und in einer Geſellſchaft feſtgehal¬ ten wurde, in welcher er ſeine Lieblingsnei¬ gung hegen, gleichſam verſtohlen ſeine Wün¬ ſche befriedigen, und ohne ſich einen Zweck vorzuſetzen, ſeinen alten Träumen nachſchlei¬ chen konnte. Aus dieſen Verhältniſſen ſich los zu reiſſen, und gleich zu ſcheiden, glaubte er Kraft genug zu beſitzen. Nun hatte er aber vor wenigen Augenblicken ſich mit Me¬ lina in ein Geldgeſchäft eingelaſſen, er hatte den räthſelhaften Alten kennen lernen, wel¬ chen zu entziffern er eine unbeſchreibliche Be¬ gierde fühlte. Allein auch dadurch ſich nicht zurück halten zu laſſen, war er nach lang hin und her geworfenen Gedanken entſchloſſen, oder glaubte wenigſtens entſchloſſen zu ſeyn. Ich muß fort, rief er aus, ich will fort! Er warf ſich in einen Seſſel, und war ſehr bewegt. Mig¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/368>, abgerufen am 24.11.2024.