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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

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gen zu lassen, worauf sie sich umarmten,
und Wein herbeygeschaft wurde. Der Stall¬
meister wollte Friedrichs Herkunft und seine
Geschichte wissen, der denn ein Mährchen
erzählte, das er schon oft wiederholt hatte,
und mit dem wir ein andermal unsre Leser
bekannt zu machen denken.

In Wilhelms Seele vollendete indessen
dieser Zweykampf die Darstellung seiner eige¬
nen Gefühle; denn er konnte sich nicht leug¬
nen, daß er das Rappier, ja lieber noch
einen Degen selbst gegen den Stallmeister
zu führen wünschte, wenn er schon einsah,
daß ihm dieser in der Fechtkunst weit über¬
legen sey. Doch würdigte er Philinen nicht
eines Blicks, hütete sich vor jeder Äusserung,
die seine Empfindung hätte verrathen kön¬
nen, und eilte, nachdem er einigemal auf die
Gesundheit der Kämpfer Bescheid gethan,
auf sein Zimmer, wo sich tausend unange¬
nehme Gedanken auf ihn zudrängten.

gen zu laſſen, worauf ſie ſich umarmten,
und Wein herbeygeſchaft wurde. Der Stall¬
meiſter wollte Friedrichs Herkunft und ſeine
Geſchichte wiſſen, der denn ein Mährchen
erzählte, das er ſchon oft wiederholt hatte,
und mit dem wir ein andermal unſre Leſer
bekannt zu machen denken.

In Wilhelms Seele vollendete indeſſen
dieſer Zweykampf die Darſtellung ſeiner eige¬
nen Gefühle; denn er konnte ſich nicht leug¬
nen, daß er das Rappier, ja lieber noch
einen Degen ſelbſt gegen den Stallmeiſter
zu führen wünſchte, wenn er ſchon einſah,
daß ihm dieſer in der Fechtkunſt weit über¬
legen ſey. Doch würdigte er Philinen nicht
eines Blicks, hütete ſich vor jeder Äuſſerung,
die ſeine Empfindung hätte verrathen kön¬
nen, und eilte, nachdem er einigemal auf die
Geſundheit der Kämpfer Beſcheid gethan,
auf ſein Zimmer, wo ſich tauſend unange¬
nehme Gedanken auf ihn zudrängten.

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[358/0366] gen zu laſſen, worauf ſie ſich umarmten, und Wein herbeygeſchaft wurde. Der Stall¬ meiſter wollte Friedrichs Herkunft und ſeine Geſchichte wiſſen, der denn ein Mährchen erzählte, das er ſchon oft wiederholt hatte, und mit dem wir ein andermal unſre Leſer bekannt zu machen denken. In Wilhelms Seele vollendete indeſſen dieſer Zweykampf die Darſtellung ſeiner eige¬ nen Gefühle; denn er konnte ſich nicht leug¬ nen, daß er das Rappier, ja lieber noch einen Degen ſelbſt gegen den Stallmeiſter zu führen wünſchte, wenn er ſchon einſah, daß ihm dieſer in der Fechtkunſt weit über¬ legen ſey. Doch würdigte er Philinen nicht eines Blicks, hütete ſich vor jeder Äuſſerung, die ſeine Empfindung hätte verrathen kön¬ nen, und eilte, nachdem er einigemal auf die Geſundheit der Kämpfer Beſcheid gethan, auf ſein Zimmer, wo ſich tauſend unange¬ nehme Gedanken auf ihn zudrängten.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/366>, abgerufen am 24.11.2024.