Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Mitternacht herannahete, schwur Laertes hoch
und theuer, es sey kein Mensch würdig, an
diese Gläser jemals wieder eine Lippe zu
setzen, und warf mit dieser Betheuerung sein
Glas hinter sich und durch die Scheiben auf
die Gasse hinaus. Die übrigen folgten sei¬
nem Beyspiele, und ohnerachtet der Protesta¬
tionen des Wirthes, der herbeylief, wurde
der Punschnapf selbst, der nach einem solchen
Feste durch unheiliges Getränk nicht wieder
entweiht werden sollte, in tausend Stücke ge¬
schlagen. Philine, der man ihren Rausch
am wenigsten ansah, indeß die beiden Mäd¬
chen nicht in den anständigsten Stellungen
auf dem Kanape lagen, reizte die andern
mit Schadenfreude zum Lärm. Madam Me¬
lina rezitirte einige erhabene Gedichte, und
ihr Mann, der im Rausche nicht sehr liebens¬
würdig war, fing an auf die schlechte Berei¬
tung des Punsches zu schelten, versicherte,

Mitternacht herannahete, ſchwur Laertes hoch
und theuer, es ſey kein Menſch würdig, an
dieſe Gläſer jemals wieder eine Lippe zu
ſetzen, und warf mit dieſer Betheuerung ſein
Glas hinter ſich und durch die Scheiben auf
die Gaſſe hinaus. Die übrigen folgten ſei¬
nem Beyſpiele, und ohnerachtet der Proteſta¬
tionen des Wirthes, der herbeylief, wurde
der Punſchnapf ſelbſt, der nach einem ſolchen
Feſte durch unheiliges Getränk nicht wieder
entweiht werden ſollte, in tauſend Stücke ge¬
ſchlagen. Philine, der man ihren Rauſch
am wenigſten anſah, indeß die beiden Mäd¬
chen nicht in den anſtändigſten Stellungen
auf dem Kanape lagen, reizte die andern
mit Schadenfreude zum Lärm. Madam Me¬
lina rezitirte einige erhabene Gedichte, und
ihr Mann, der im Rauſche nicht ſehr liebens¬
würdig war, fing an auf die ſchlechte Berei¬
tung des Punſches zu ſchelten, verſicherte,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0325" n="317"/>
Mitternacht herannahete, &#x017F;chwur Laertes hoch<lb/>
und theuer, es &#x017F;ey kein Men&#x017F;ch würdig, an<lb/>
die&#x017F;e Glä&#x017F;er jemals wieder eine Lippe zu<lb/>
&#x017F;etzen, und warf mit die&#x017F;er Betheuerung &#x017F;ein<lb/>
Glas hinter &#x017F;ich und durch die Scheiben auf<lb/>
die Ga&#x017F;&#x017F;e hinaus. Die übrigen folgten &#x017F;ei¬<lb/>
nem Bey&#x017F;piele, und ohnerachtet der Prote&#x017F;ta¬<lb/>
tionen des Wirthes, der herbeylief, wurde<lb/>
der Pun&#x017F;chnapf &#x017F;elb&#x017F;t, der nach einem &#x017F;olchen<lb/>
Fe&#x017F;te durch unheiliges Getränk nicht wieder<lb/>
entweiht werden &#x017F;ollte, in tau&#x017F;end Stücke ge¬<lb/>
&#x017F;chlagen. Philine, der man ihren Rau&#x017F;ch<lb/>
am wenig&#x017F;ten an&#x017F;ah, indeß die beiden Mäd¬<lb/>
chen nicht in den an&#x017F;tändig&#x017F;ten Stellungen<lb/>
auf dem Kanape lagen, reizte die andern<lb/>
mit Schadenfreude zum Lärm. Madam Me¬<lb/>
lina rezitirte einige erhabene Gedichte, und<lb/>
ihr Mann, der im Rau&#x017F;che nicht &#x017F;ehr liebens¬<lb/>
würdig war, fing an auf die &#x017F;chlechte Berei¬<lb/>
tung des Pun&#x017F;ches zu &#x017F;chelten, ver&#x017F;icherte,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[317/0325] Mitternacht herannahete, ſchwur Laertes hoch und theuer, es ſey kein Menſch würdig, an dieſe Gläſer jemals wieder eine Lippe zu ſetzen, und warf mit dieſer Betheuerung ſein Glas hinter ſich und durch die Scheiben auf die Gaſſe hinaus. Die übrigen folgten ſei¬ nem Beyſpiele, und ohnerachtet der Proteſta¬ tionen des Wirthes, der herbeylief, wurde der Punſchnapf ſelbſt, der nach einem ſolchen Feſte durch unheiliges Getränk nicht wieder entweiht werden ſollte, in tauſend Stücke ge¬ ſchlagen. Philine, der man ihren Rauſch am wenigſten anſah, indeß die beiden Mäd¬ chen nicht in den anſtändigſten Stellungen auf dem Kanape lagen, reizte die andern mit Schadenfreude zum Lärm. Madam Me¬ lina rezitirte einige erhabene Gedichte, und ihr Mann, der im Rauſche nicht ſehr liebens¬ würdig war, fing an auf die ſchlechte Berei¬ tung des Punſches zu ſchelten, verſicherte,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/325
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/325>, abgerufen am 22.11.2024.