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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

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reyen unsern Freund zu beleben; es ward ihm
wohl, wie es ihm lange nicht gewesen war.

Seitdem ihn jene grausame Entdeckung
von der Seite Marianens gerissen hatte,
war er dem Gelübde treu geblieben, sich vor
der zusammenschlagenden Falle einer weibli¬
chen Umarmung zu hüthen, das treulose Ge¬
schlecht zu meiden, seine Schmerzen, seine
Neigung, seine süßen Wünsche in seinem
Busen zu verschließen. Die Gewissenhaftig¬
keit, womit er dieß Gelübde beobachtete, gab
seinem ganzen Wesen eine geheime Nahrung,
und wenn sein Herz nicht ohne Theilneh¬
mung bleiben konnte, so ward eine liebevolle
Mittheilung nun zum Bedürfnisse. Er ging
wieder wie von dem ersten Jugendnebel be¬
gleitet umher, seine Augen faßten jeden rei¬
zenden Gegenstand mit Freuden auf, und nie
war sein Urtheil über eine liebenswürdige
Gestalt schonender gewesen. Wie gefährlich

reyen unſern Freund zu beleben; es ward ihm
wohl, wie es ihm lange nicht geweſen war.

Seitdem ihn jene grauſame Entdeckung
von der Seite Marianens geriſſen hatte,
war er dem Gelübde treu geblieben, ſich vor
der zuſammenſchlagenden Falle einer weibli¬
chen Umarmung zu hüthen, das treuloſe Ge¬
ſchlecht zu meiden, ſeine Schmerzen, ſeine
Neigung, ſeine ſüßen Wünſche in ſeinem
Buſen zu verſchließen. Die Gewiſſenhaftig¬
keit, womit er dieß Gelübde beobachtete, gab
ſeinem ganzen Weſen eine geheime Nahrung,
und wenn ſein Herz nicht ohne Theilneh¬
mung bleiben konnte, ſo ward eine liebevolle
Mittheilung nun zum Bedürfniſſe. Er ging
wieder wie von dem erſten Jugendnebel be¬
gleitet umher, ſeine Augen faßten jeden rei¬
zenden Gegenſtand mit Freuden auf, und nie
war ſein Urtheil über eine liebenswürdige
Geſtalt ſchonender geweſen. Wie gefährlich

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[313/0321] reyen unſern Freund zu beleben; es ward ihm wohl, wie es ihm lange nicht geweſen war. Seitdem ihn jene grauſame Entdeckung von der Seite Marianens geriſſen hatte, war er dem Gelübde treu geblieben, ſich vor der zuſammenſchlagenden Falle einer weibli¬ chen Umarmung zu hüthen, das treuloſe Ge¬ ſchlecht zu meiden, ſeine Schmerzen, ſeine Neigung, ſeine ſüßen Wünſche in ſeinem Buſen zu verſchließen. Die Gewiſſenhaftig¬ keit, womit er dieß Gelübde beobachtete, gab ſeinem ganzen Weſen eine geheime Nahrung, und wenn ſein Herz nicht ohne Theilneh¬ mung bleiben konnte, ſo ward eine liebevolle Mittheilung nun zum Bedürfniſſe. Er ging wieder wie von dem erſten Jugendnebel be¬ gleitet umher, ſeine Augen faßten jeden rei¬ zenden Gegenſtand mit Freuden auf, und nie war ſein Urtheil über eine liebenswürdige Geſtalt ſchonender geweſen. Wie gefährlich

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/321>, abgerufen am 25.11.2024.