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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

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eine Rede vorzubereiten, und die Pausen des
Gesprächs durch eine gefällige Pantomime
mit dem Ganzen zu verbinden wissen; aber
eine Übung, die einem glücklichen Naturell
zu Hülfe käme, und es lehrte, mit dem
Schriftsteller zu wetteifern, ist nicht so im
Gange, als es zum Troste derer, die das
Theater besuchen, wohl zu wünschen wäre.

Sollte aber nicht, versetzte Wilhelm, ein
glückliches Naturell, als das erste und letzte,
einen Schauspieler, wie jeden andern Künst¬
ler, ja vielleicht wie jeden Menschen, allein
zu einem so hochaufgesteckten Ziele bringen?

Das erste und letzte, Anfang und Ende
möchte es wohl seyn und bleiben; aber in
der Mitte dürfte dem Künstler manches feh¬
len, wenn nicht Bildung das erst aus ihm
macht, was er seyn soll, und zwar frühe
Bildung; denn vielleicht ist derjenige, dem
man Genie zuschreibt, übler daran als der,

eine Rede vorzubereiten, und die Pauſen des
Geſprächs durch eine gefällige Pantomime
mit dem Ganzen zu verbinden wiſſen; aber
eine Übung, die einem glücklichen Naturell
zu Hülfe käme, und es lehrte, mit dem
Schriftſteller zu wetteifern, iſt nicht ſo im
Gange, als es zum Troſte derer, die das
Theater beſuchen, wohl zu wünſchen wäre.

Sollte aber nicht, verſetzte Wilhelm, ein
glückliches Naturell, als das erſte und letzte,
einen Schauſpieler, wie jeden andern Künſt¬
ler, ja vielleicht wie jeden Menſchen, allein
zu einem ſo hochaufgeſteckten Ziele bringen?

Das erſte und letzte, Anfang und Ende
möchte es wohl ſeyn und bleiben; aber in
der Mitte dürfte dem Künſtler manches feh¬
len, wenn nicht Bildung das erſt aus ihm
macht, was er ſeyn ſoll, und zwar frühe
Bildung; denn vielleicht iſt derjenige, dem
man Genie zuſchreibt, übler daran als der,

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[303/0311] eine Rede vorzubereiten, und die Pauſen des Geſprächs durch eine gefällige Pantomime mit dem Ganzen zu verbinden wiſſen; aber eine Übung, die einem glücklichen Naturell zu Hülfe käme, und es lehrte, mit dem Schriftſteller zu wetteifern, iſt nicht ſo im Gange, als es zum Troſte derer, die das Theater beſuchen, wohl zu wünſchen wäre. Sollte aber nicht, verſetzte Wilhelm, ein glückliches Naturell, als das erſte und letzte, einen Schauſpieler, wie jeden andern Künſt¬ ler, ja vielleicht wie jeden Menſchen, allein zu einem ſo hochaufgeſteckten Ziele bringen? Das erſte und letzte, Anfang und Ende möchte es wohl ſeyn und bleiben; aber in der Mitte dürfte dem Künſtler manches feh¬ len, wenn nicht Bildung das erſt aus ihm macht, was er ſeyn ſoll, und zwar frühe Bildung; denn vielleicht iſt derjenige, dem man Genie zuſchreibt, übler daran als der,

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/311>, abgerufen am 22.11.2024.