Das Volk hatte sich nach und nach ver¬ laufen, und der Platz war leer geworden, indeß Philine und Laertes über die Gestalt und die Geschicklichkeit Narcissens und Lan¬ drinettens in Streit geriethen, und sich wech¬ selsweise neckten. Wilhelm sah das wunder¬ bare Kind auf der Straße bey andern spie¬ lenden Kindern stehen, machte Philinen dar¬ auf aufmerksam, die sogleich, nach ihrer leb¬ haften Art, dem Kinde rief und winkte, und da es nicht kommen wollte, singend die Treppe hinunter klapperte und es herauf¬ führte.
Hier ist das Räthsel, rief sie, als sie das Kind zur Thüre herein zog. Es blieb am Eingange stehen, eben als wenn es gleich wieder hinaus schlüpfen wollte, legte die rechte Hand vor die Brust, die linke vor die Stirn, und bückte sich tief. Fürchte dich nicht, liebe Kleine, sagte Wilhelm, indem er
Q 2
Das Volk hatte ſich nach und nach ver¬ laufen, und der Platz war leer geworden, indeß Philine und Laertes über die Geſtalt und die Geſchicklichkeit Narciſſens und Lan¬ drinettens in Streit geriethen, und ſich wech¬ ſelsweiſe neckten. Wilhelm ſah das wunder¬ bare Kind auf der Straße bey andern ſpie¬ lenden Kindern ſtehen, machte Philinen dar¬ auf aufmerkſam, die ſogleich, nach ihrer leb¬ haften Art, dem Kinde rief und winkte, und da es nicht kommen wollte, ſingend die Treppe hinunter klapperte und es herauf¬ führte.
Hier iſt das Räthſel, rief ſie, als ſie das Kind zur Thüre herein zog. Es blieb am Eingange ſtehen, eben als wenn es gleich wieder hinaus ſchlüpfen wollte, legte die rechte Hand vor die Bruſt, die linke vor die Stirn, und bückte ſich tief. Fürchte dich nicht, liebe Kleine, ſagte Wilhelm, indem er
Q 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0251"n="243"/><p>Das Volk hatte ſich nach und nach ver¬<lb/>
laufen, und der Platz war leer geworden,<lb/>
indeß Philine und Laertes über die Geſtalt<lb/>
und die Geſchicklichkeit Narciſſens und Lan¬<lb/>
drinettens in Streit geriethen, und ſich wech¬<lb/>ſelsweiſe neckten. Wilhelm ſah das wunder¬<lb/>
bare Kind auf der Straße bey andern ſpie¬<lb/>
lenden Kindern ſtehen, machte Philinen dar¬<lb/>
auf aufmerkſam, die ſogleich, nach ihrer leb¬<lb/>
haften Art, dem Kinde rief und winkte, und<lb/>
da es nicht kommen wollte, ſingend die<lb/>
Treppe hinunter klapperte und es herauf¬<lb/>
führte.</p><lb/><p>Hier iſt das Räthſel, rief ſie, als ſie das<lb/>
Kind zur Thüre herein zog. Es blieb am<lb/>
Eingange ſtehen, eben als wenn es gleich<lb/>
wieder hinaus ſchlüpfen wollte, legte die<lb/>
rechte Hand vor die Bruſt, die linke vor die<lb/>
Stirn, und bückte ſich tief. Fürchte dich<lb/>
nicht, liebe Kleine, ſagte Wilhelm, indem er<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Q 2<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[243/0251]
Das Volk hatte ſich nach und nach ver¬
laufen, und der Platz war leer geworden,
indeß Philine und Laertes über die Geſtalt
und die Geſchicklichkeit Narciſſens und Lan¬
drinettens in Streit geriethen, und ſich wech¬
ſelsweiſe neckten. Wilhelm ſah das wunder¬
bare Kind auf der Straße bey andern ſpie¬
lenden Kindern ſtehen, machte Philinen dar¬
auf aufmerkſam, die ſogleich, nach ihrer leb¬
haften Art, dem Kinde rief und winkte, und
da es nicht kommen wollte, ſingend die
Treppe hinunter klapperte und es herauf¬
führte.
Hier iſt das Räthſel, rief ſie, als ſie das
Kind zur Thüre herein zog. Es blieb am
Eingange ſtehen, eben als wenn es gleich
wieder hinaus ſchlüpfen wollte, legte die
rechte Hand vor die Bruſt, die linke vor die
Stirn, und bückte ſich tief. Fürchte dich
nicht, liebe Kleine, ſagte Wilhelm, indem er
Q 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/251>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.