Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

erregt in meinen Fingern eine krampfhafte
Bewegung; ich möchte sie gleich dem ehr¬
würdigen Herrn herunter nehmen, in der
Stube herumspringen und den Kahlkopf aus¬
lachen.

Mit einigen lebhaften Gesängen, welche
sie sehr schön vortrug, schnitt Philine das
Gespräch ab, und trieb zu einer schnellen
Rückfahrt, damit man die Künste der Seil¬
tänzer am Abende zu sehen nicht versäumen
möchte. Drollig bis zur Ausgelassenheit,
setzte sie ihre Freygebigkeit gegen die Armen
auf dem Heimwege fort, indem sie zuletzt,
da ihr und ihren Reisegefährten das Geld
ausging, einem Mädchen ihren Strohhut
und einem alten Weibe ihr Halstuch zum
Schlage hinaus warf.

Philine lud beide Begleiter zu sich in
ihre Wohnung, weil man, wie sie sagte,
aus ihren Fenstern das öffentliche Schauspiel

erregt in meinen Fingern eine krampfhafte
Bewegung; ich möchte ſie gleich dem ehr¬
würdigen Herrn herunter nehmen, in der
Stube herumſpringen und den Kahlkopf aus¬
lachen.

Mit einigen lebhaften Geſängen, welche
ſie ſehr ſchön vortrug, ſchnitt Philine das
Geſpräch ab, und trieb zu einer ſchnellen
Rückfahrt, damit man die Künſte der Seil¬
tänzer am Abende zu ſehen nicht verſäumen
möchte. Drollig bis zur Ausgelaſſenheit,
ſetzte ſie ihre Freygebigkeit gegen die Armen
auf dem Heimwege fort, indem ſie zuletzt,
da ihr und ihren Reiſegefährten das Geld
ausging, einem Mädchen ihren Strohhut
und einem alten Weibe ihr Halstuch zum
Schlage hinaus warf.

Philine lud beide Begleiter zu ſich in
ihre Wohnung, weil man, wie ſie ſagte,
aus ihren Fenſtern das öffentliche Schauſpiel

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0246" n="238"/>
erregt in meinen Fingern eine krampfhafte<lb/>
Bewegung; ich möchte &#x017F;ie gleich dem ehr¬<lb/>
würdigen Herrn herunter nehmen, in der<lb/>
Stube herum&#x017F;pringen und den Kahlkopf aus¬<lb/>
lachen.</p><lb/>
            <p>Mit einigen lebhaften Ge&#x017F;ängen, welche<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ehr &#x017F;chön vortrug, &#x017F;chnitt Philine das<lb/>
Ge&#x017F;präch ab, und trieb zu einer &#x017F;chnellen<lb/>
Rückfahrt, damit man die Kün&#x017F;te der Seil¬<lb/>
tänzer am Abende zu &#x017F;ehen nicht ver&#x017F;äumen<lb/>
möchte. Drollig bis zur Ausgela&#x017F;&#x017F;enheit,<lb/>
&#x017F;etzte &#x017F;ie ihre Freygebigkeit gegen die Armen<lb/>
auf dem Heimwege fort, indem &#x017F;ie zuletzt,<lb/>
da ihr und ihren Rei&#x017F;egefährten das Geld<lb/>
ausging, einem Mädchen ihren Strohhut<lb/>
und einem alten Weibe ihr Halstuch zum<lb/>
Schlage hinaus warf.</p><lb/>
            <p>Philine lud beide Begleiter zu &#x017F;ich in<lb/>
ihre Wohnung, weil man, wie &#x017F;ie &#x017F;agte,<lb/>
aus ihren Fen&#x017F;tern das öffentliche Schau&#x017F;piel<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[238/0246] erregt in meinen Fingern eine krampfhafte Bewegung; ich möchte ſie gleich dem ehr¬ würdigen Herrn herunter nehmen, in der Stube herumſpringen und den Kahlkopf aus¬ lachen. Mit einigen lebhaften Geſängen, welche ſie ſehr ſchön vortrug, ſchnitt Philine das Geſpräch ab, und trieb zu einer ſchnellen Rückfahrt, damit man die Künſte der Seil¬ tänzer am Abende zu ſehen nicht verſäumen möchte. Drollig bis zur Ausgelaſſenheit, ſetzte ſie ihre Freygebigkeit gegen die Armen auf dem Heimwege fort, indem ſie zuletzt, da ihr und ihren Reiſegefährten das Geld ausging, einem Mädchen ihren Strohhut und einem alten Weibe ihr Halstuch zum Schlage hinaus warf. Philine lud beide Begleiter zu ſich in ihre Wohnung, weil man, wie ſie ſagte, aus ihren Fenſtern das öffentliche Schauſpiel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/246
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/246>, abgerufen am 22.11.2024.