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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

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was ihm und andern nütze ist, und seine
Willkür zu beschränken arbeitet. Jeder hat
sein eigen Glück unter den Händen, wie der
Künstler eine rohe Materie, die er zu einer
Gestalt umbilden will. Aber es ist mit die¬
ser Kunst wie mit allen, nur die Fähigkeit
dazu wird uns angeboren, sie will gelernt
und sorgfältig ausgeübt seyn.

Dieses und mehreres wurde noch unter
ihnen abgehandelt; endlich trennten sie sich,
ohne daß sie einander sonderlich überzeugt zu
haben schienen, doch bestimmten sie auf den
folgenden Tag einen Ort der Zusammenkunft.

Wilhelm ging noch einige Straßen auf
und nieder; er hörte Clarinetten, Waldhörner
und Fagotte, es schwoll sein Busen. Durch¬
reisende Spielleute machten eine angenehme
Nachtmusik. Er sprach mit ihnen, und um
ein Stück Geld folgten sie ihm zu Maria¬
nens Wohnung. Hohe Bäume zierten den

was ihm und andern nütze iſt, und ſeine
Willkür zu beſchränken arbeitet. Jeder hat
ſein eigen Glück unter den Händen, wie der
Künſtler eine rohe Materie, die er zu einer
Geſtalt umbilden will. Aber es iſt mit die¬
ſer Kunſt wie mit allen, nur die Fähigkeit
dazu wird uns angeboren, ſie will gelernt
und ſorgfältig ausgeübt ſeyn.

Dieſes und mehreres wurde noch unter
ihnen abgehandelt; endlich trennten ſie ſich,
ohne daß ſie einander ſonderlich überzeugt zu
haben ſchienen, doch beſtimmten ſie auf den
folgenden Tag einen Ort der Zuſammenkunft.

Wilhelm ging noch einige Straßen auf
und nieder; er hörte Clarinetten, Waldhörner
und Fagotte, es ſchwoll ſein Buſen. Durch¬
reiſende Spielleute machten eine angenehme
Nachtmuſik. Er ſprach mit ihnen, und um
ein Stück Geld folgten ſie ihm zu Maria¬
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[174/0182] was ihm und andern nütze iſt, und ſeine Willkür zu beſchränken arbeitet. Jeder hat ſein eigen Glück unter den Händen, wie der Künſtler eine rohe Materie, die er zu einer Geſtalt umbilden will. Aber es iſt mit die¬ ſer Kunſt wie mit allen, nur die Fähigkeit dazu wird uns angeboren, ſie will gelernt und ſorgfältig ausgeübt ſeyn. Dieſes und mehreres wurde noch unter ihnen abgehandelt; endlich trennten ſie ſich, ohne daß ſie einander ſonderlich überzeugt zu haben ſchienen, doch beſtimmten ſie auf den folgenden Tag einen Ort der Zuſammenkunft. Wilhelm ging noch einige Straßen auf und nieder; er hörte Clarinetten, Waldhörner und Fagotte, es ſchwoll ſein Buſen. Durch¬ reiſende Spielleute machten eine angenehme Nachtmuſik. Er ſprach mit ihnen, und um ein Stück Geld folgten ſie ihm zu Maria¬ nens Wohnung. Hohe Bäume zierten den

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/182>, abgerufen am 24.11.2024.