Da schien Ihr Großvater anders zu den¬ ken; denn der größte Theil seiner Samm¬ lung bestand aus trefflichen Sachen, in denen man immer das Verdienst ihres Meisters be¬ wunderte, sie mochten vorstellen was sie woll¬ ten; auch hing dieses Bild in dem äussersten Vorsaale, zum Zeichen, daß er es wenig schätzte.
Da war es eben, wo wir Kinder immer spielen durften, und wo dieses Bild einen unauslöschlichen Eindruck auf mich machte, den mir selbst Ihre Kritik, die ich übrigens verehre, nicht auslöschen könnte, wenn wir auch jetzt vor dem Bilde stünden. Wie jam¬ merte mich, wie jammert mich noch ein Jüng¬ ling, der die süßen Triebe, das schönste Erb¬ theil, das uns die Natur gab, in sich ver¬ schließen, und das Feuer, das ihn und ande¬
mich an einem Gemählde reizt, nicht die Kunſt.
Da ſchien Ihr Großvater anders zu den¬ ken; denn der größte Theil ſeiner Samm¬ lung beſtand aus trefflichen Sachen, in denen man immer das Verdienſt ihres Meiſters be¬ wunderte, ſie mochten vorſtellen was ſie woll¬ ten; auch hing dieſes Bild in dem äuſſerſten Vorſaale, zum Zeichen, daß er es wenig ſchätzte.
Da war es eben, wo wir Kinder immer ſpielen durften, und wo dieſes Bild einen unauslöſchlichen Eindruck auf mich machte, den mir ſelbſt Ihre Kritik, die ich übrigens verehre, nicht auslöſchen könnte, wenn wir auch jetzt vor dem Bilde ſtünden. Wie jam¬ merte mich, wie jammert mich noch ein Jüng¬ ling, der die ſüßen Triebe, das ſchönſte Erb¬ theil, das uns die Natur gab, in ſich ver¬ ſchließen, und das Feuer, das ihn und ande¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0177"n="169"/>
mich an einem Gemählde reizt, nicht die<lb/>
Kunſt.</p><lb/><p>Da ſchien Ihr Großvater anders zu den¬<lb/>
ken; denn der größte Theil ſeiner Samm¬<lb/>
lung beſtand aus trefflichen Sachen, in denen<lb/>
man immer das Verdienſt ihres Meiſters be¬<lb/>
wunderte, ſie mochten vorſtellen was ſie woll¬<lb/>
ten; auch hing dieſes Bild in dem äuſſerſten<lb/>
Vorſaale, zum Zeichen, daß er es wenig<lb/>ſchätzte.</p><lb/><p>Da war es eben, wo wir Kinder immer<lb/>ſpielen durften, und wo dieſes Bild einen<lb/>
unauslöſchlichen Eindruck auf mich machte,<lb/>
den mir ſelbſt Ihre Kritik, die ich übrigens<lb/>
verehre, nicht auslöſchen könnte, wenn wir<lb/>
auch jetzt vor dem Bilde ſtünden. Wie jam¬<lb/>
merte mich, wie jammert mich noch ein Jüng¬<lb/>
ling, der die ſüßen Triebe, das ſchönſte Erb¬<lb/>
theil, das uns die Natur gab, in ſich ver¬<lb/>ſchließen, und das Feuer, das ihn und ande¬<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[169/0177]
mich an einem Gemählde reizt, nicht die
Kunſt.
Da ſchien Ihr Großvater anders zu den¬
ken; denn der größte Theil ſeiner Samm¬
lung beſtand aus trefflichen Sachen, in denen
man immer das Verdienſt ihres Meiſters be¬
wunderte, ſie mochten vorſtellen was ſie woll¬
ten; auch hing dieſes Bild in dem äuſſerſten
Vorſaale, zum Zeichen, daß er es wenig
ſchätzte.
Da war es eben, wo wir Kinder immer
ſpielen durften, und wo dieſes Bild einen
unauslöſchlichen Eindruck auf mich machte,
den mir ſelbſt Ihre Kritik, die ich übrigens
verehre, nicht auslöſchen könnte, wenn wir
auch jetzt vor dem Bilde ſtünden. Wie jam¬
merte mich, wie jammert mich noch ein Jüng¬
ling, der die ſüßen Triebe, das ſchönſte Erb¬
theil, das uns die Natur gab, in ſich ver¬
ſchließen, und das Feuer, das ihn und ande¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/177>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.