sichten so reizend, daß man sie gar zu gern in sein Gedächtniß zurück ruft. Jeder Theil sucht einen Vorzug vor dem andern zu be¬ halten; er habe früher, uneigennütziger ge¬ liebt, und jedes wünscht in diesem Wettstreite lieber überwunden zu werden, als zu über¬ winden.
Wilhelm wiederholte Marianen, was sie schon so oft gehört hatte, daß sie bald seine Aufmerksamkeit von dem Schauspiel ab und auf sich allein gezogen habe, daß ihre Ge¬ stalt, ihr Spiel, ihre Stimme ihn gefesselt, wie er zuletzt nur die Stücke, in denen sie gespielt, besucht habe, wie er endlich aufs Theater geschlichen sey, oft, ohne von ihr be¬ merkt zu werden, neben ihr gestanden habe; dann sprach er mit Entzücken von dem glück¬ lichen Abende, an dem er eine Gelegenheit gefunden, ihr eine Gefälligkeit zu erzeigen, und ein Gespräch einzuleiten.
ſichten ſo reizend, daß man ſie gar zu gern in ſein Gedächtniß zurück ruft. Jeder Theil ſucht einen Vorzug vor dem andern zu be¬ halten; er habe früher, uneigennütziger ge¬ liebt, und jedes wünſcht in dieſem Wettſtreite lieber überwunden zu werden, als zu über¬ winden.
Wilhelm wiederholte Marianen, was ſie ſchon ſo oft gehört hatte, daß ſie bald ſeine Aufmerkſamkeit von dem Schauſpiel ab und auf ſich allein gezogen habe, daß ihre Ge¬ ſtalt, ihr Spiel, ihre Stimme ihn gefeſſelt, wie er zuletzt nur die Stücke, in denen ſie geſpielt, beſucht habe, wie er endlich aufs Theater geſchlichen ſey, oft, ohne von ihr be¬ merkt zu werden, neben ihr geſtanden habe; dann ſprach er mit Entzücken von dem glück¬ lichen Abende, an dem er eine Gelegenheit gefunden, ihr eine Gefälligkeit zu erzeigen, und ein Geſpräch einzuleiten.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0157"n="149"/>ſichten ſo reizend, daß man ſie gar zu gern<lb/>
in ſein Gedächtniß zurück ruft. Jeder Theil<lb/>ſucht einen Vorzug vor dem andern zu be¬<lb/>
halten; er habe früher, uneigennütziger ge¬<lb/>
liebt, und jedes wünſcht in dieſem Wettſtreite<lb/>
lieber überwunden zu werden, als zu über¬<lb/>
winden.</p><lb/><p>Wilhelm wiederholte Marianen, was ſie<lb/>ſchon ſo oft gehört hatte, daß ſie bald ſeine<lb/>
Aufmerkſamkeit von dem Schauſpiel ab und<lb/>
auf ſich allein gezogen habe, daß ihre Ge¬<lb/>ſtalt, ihr Spiel, ihre Stimme ihn gefeſſelt,<lb/>
wie er zuletzt nur die Stücke, in denen ſie<lb/>
geſpielt, beſucht habe, wie er endlich aufs<lb/>
Theater geſchlichen ſey, oft, ohne von ihr be¬<lb/>
merkt zu werden, neben ihr geſtanden habe;<lb/>
dann ſprach er mit Entzücken von dem glück¬<lb/>
lichen Abende, an dem er eine Gelegenheit<lb/>
gefunden, ihr eine Gefälligkeit zu erzeigen,<lb/>
und ein Geſpräch einzuleiten.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[149/0157]
ſichten ſo reizend, daß man ſie gar zu gern
in ſein Gedächtniß zurück ruft. Jeder Theil
ſucht einen Vorzug vor dem andern zu be¬
halten; er habe früher, uneigennütziger ge¬
liebt, und jedes wünſcht in dieſem Wettſtreite
lieber überwunden zu werden, als zu über¬
winden.
Wilhelm wiederholte Marianen, was ſie
ſchon ſo oft gehört hatte, daß ſie bald ſeine
Aufmerkſamkeit von dem Schauſpiel ab und
auf ſich allein gezogen habe, daß ihre Ge¬
ſtalt, ihr Spiel, ihre Stimme ihn gefeſſelt,
wie er zuletzt nur die Stücke, in denen ſie
geſpielt, beſucht habe, wie er endlich aufs
Theater geſchlichen ſey, oft, ohne von ihr be¬
merkt zu werden, neben ihr geſtanden habe;
dann ſprach er mit Entzücken von dem glück¬
lichen Abende, an dem er eine Gelegenheit
gefunden, ihr eine Gefälligkeit zu erzeigen,
und ein Geſpräch einzuleiten.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/157>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.