freundlichkeit in seiner Seele getrübt und beynahe entstellt zu sehen. Er griff zum sichersten Mittel, ihm die völlige Klarheit und Schönheit wieder herzustellen, indem er Nachts auf den gewöhnlichen Wegen zu ihr hineilte. Sie empfing ihn mit lebhafter Freude; denn er war bey seiner Ankunft vor¬ bey geritten, sie hatte ihn diese Nacht erwar¬ tet, und es läßt sich denken, daß alle Zwei¬ fel bald aus seinem Herzen vertrieben wur¬ den. Ja ihre Zärtlichkeit schloß sein ganzes Vertrauen wieder auf, und er erzählte ihr, wie sehr sich das Publikum, wie sehr sich sein Freund an ihr versündiget.
Mancherley lebhafte Gespräche führten sie auf die ersten Zeiten ihrer Bekanntschaft, de¬ ren Erinnerung eine der schönsten Unterhal¬ tungen zweyer Liebenden bleibt. Die ersten Schritte, die uns in den Irrgarten der Liebe bringen, sind so angenehm, die ersten Aus¬
freundlichkeit in ſeiner Seele getrübt und beynahe entſtellt zu ſehen. Er griff zum ſicherſten Mittel, ihm die völlige Klarheit und Schönheit wieder herzuſtellen, indem er Nachts auf den gewöhnlichen Wegen zu ihr hineilte. Sie empfing ihn mit lebhafter Freude; denn er war bey ſeiner Ankunft vor¬ bey geritten, ſie hatte ihn dieſe Nacht erwar¬ tet, und es läßt ſich denken, daß alle Zwei¬ fel bald aus ſeinem Herzen vertrieben wur¬ den. Ja ihre Zärtlichkeit ſchloß ſein ganzes Vertrauen wieder auf, und er erzählte ihr, wie ſehr ſich das Publikum, wie ſehr ſich ſein Freund an ihr verſündiget.
Mancherley lebhafte Geſpräche führten ſie auf die erſten Zeiten ihrer Bekanntſchaft, de¬ ren Erinnerung eine der ſchönſten Unterhal¬ tungen zweyer Liebenden bleibt. Die erſten Schritte, die uns in den Irrgarten der Liebe bringen, ſind ſo angenehm, die erſten Aus¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0156"n="148"/>
freundlichkeit in ſeiner Seele getrübt und<lb/>
beynahe entſtellt zu ſehen. Er griff zum<lb/>ſicherſten Mittel, ihm die völlige Klarheit<lb/>
und Schönheit wieder herzuſtellen, indem er<lb/>
Nachts auf den gewöhnlichen Wegen zu ihr<lb/>
hineilte. Sie empfing ihn mit lebhafter<lb/>
Freude; denn er war bey ſeiner Ankunft vor¬<lb/>
bey geritten, ſie hatte ihn dieſe Nacht erwar¬<lb/>
tet, und es läßt ſich denken, daß alle Zwei¬<lb/>
fel bald aus ſeinem Herzen vertrieben wur¬<lb/>
den. Ja ihre Zärtlichkeit ſchloß ſein ganzes<lb/>
Vertrauen wieder auf, und er erzählte ihr,<lb/>
wie ſehr ſich das Publikum, wie ſehr ſich<lb/>ſein Freund an ihr verſündiget.</p><lb/><p>Mancherley lebhafte Geſpräche führten ſie<lb/>
auf die erſten Zeiten ihrer Bekanntſchaft, de¬<lb/>
ren Erinnerung eine der ſchönſten Unterhal¬<lb/>
tungen zweyer Liebenden bleibt. Die erſten<lb/>
Schritte, die uns in den Irrgarten der Liebe<lb/>
bringen, ſind ſo angenehm, die erſten Aus¬<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[148/0156]
freundlichkeit in ſeiner Seele getrübt und
beynahe entſtellt zu ſehen. Er griff zum
ſicherſten Mittel, ihm die völlige Klarheit
und Schönheit wieder herzuſtellen, indem er
Nachts auf den gewöhnlichen Wegen zu ihr
hineilte. Sie empfing ihn mit lebhafter
Freude; denn er war bey ſeiner Ankunft vor¬
bey geritten, ſie hatte ihn dieſe Nacht erwar¬
tet, und es läßt ſich denken, daß alle Zwei¬
fel bald aus ſeinem Herzen vertrieben wur¬
den. Ja ihre Zärtlichkeit ſchloß ſein ganzes
Vertrauen wieder auf, und er erzählte ihr,
wie ſehr ſich das Publikum, wie ſehr ſich
ſein Freund an ihr verſündiget.
Mancherley lebhafte Geſpräche führten ſie
auf die erſten Zeiten ihrer Bekanntſchaft, de¬
ren Erinnerung eine der ſchönſten Unterhal¬
tungen zweyer Liebenden bleibt. Die erſten
Schritte, die uns in den Irrgarten der Liebe
bringen, ſind ſo angenehm, die erſten Aus¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/156>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.