Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Theater nicht gönnte, und überzeugt war,
daß er eines solchen Glückes nicht werth sey,
konnte mit allen seinen Argumenten nichts
ausrichten. Hätte er die geheimen Triebfe¬
dern gekannt, so würde er sich die Mühe
gar nicht gegeben haben, die Eltern überre¬
den zu wollen. Denn der Vater, der seine
Tochter gerne bey sich behalten hätte, haßte
den jungen Menschen, weil seine Frau selbst
ein Auge auf ihn geworfen hatte, und diese
konnte in ihrer Stieftochter eine glückliche
Nebenbuhlerin nicht vor Augen leiden. Und
so mußte Melina wider seinen Willen mit
seiner jungen Braut, die schon größere Lust
bezeigte, die Welt zu sehen, und sich der
Welt sehen zu lassen, nach einigen Tagen
abreisen, um bey irgend einer Gesellschaft ein
Unterkommen zu finden.


Theater nicht gönnte, und überzeugt war,
daß er eines ſolchen Glückes nicht werth ſey,
konnte mit allen ſeinen Argumenten nichts
ausrichten. Hätte er die geheimen Triebfe¬
dern gekannt, ſo würde er ſich die Mühe
gar nicht gegeben haben, die Eltern überre¬
den zu wollen. Denn der Vater, der ſeine
Tochter gerne bey ſich behalten hätte, haßte
den jungen Menſchen, weil ſeine Frau ſelbſt
ein Auge auf ihn geworfen hatte, und dieſe
konnte in ihrer Stieftochter eine glückliche
Nebenbuhlerin nicht vor Augen leiden. Und
ſo mußte Melina wider ſeinen Willen mit
ſeiner jungen Braut, die ſchon größere Luſt
bezeigte, die Welt zu ſehen, und ſich der
Welt ſehen zu laſſen, nach einigen Tagen
abreiſen, um bey irgend einer Geſellſchaft ein
Unterkommen zu finden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0141" n="133"/>
Theater nicht gönnte, und überzeugt war,<lb/>
daß er eines &#x017F;olchen Glückes nicht werth &#x017F;ey,<lb/>
konnte mit allen &#x017F;einen Argumenten nichts<lb/>
ausrichten. Hätte er die geheimen Triebfe¬<lb/>
dern gekannt, &#x017F;o würde er &#x017F;ich die Mühe<lb/>
gar nicht gegeben haben, die Eltern überre¬<lb/>
den zu wollen. Denn der Vater, der &#x017F;eine<lb/>
Tochter gerne bey &#x017F;ich behalten hätte, haßte<lb/>
den jungen Men&#x017F;chen, weil &#x017F;eine Frau &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
ein Auge auf ihn geworfen hatte, und die&#x017F;e<lb/>
konnte in ihrer Stieftochter eine glückliche<lb/>
Nebenbuhlerin nicht vor Augen leiden. Und<lb/>
&#x017F;o mußte Melina wider &#x017F;einen Willen mit<lb/>
&#x017F;einer jungen Braut, die &#x017F;chon größere Lu&#x017F;t<lb/>
bezeigte, die Welt zu &#x017F;ehen, und &#x017F;ich der<lb/>
Welt &#x017F;ehen zu la&#x017F;&#x017F;en, nach einigen Tagen<lb/>
abrei&#x017F;en, um bey irgend einer Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft ein<lb/>
Unterkommen zu finden.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[133/0141] Theater nicht gönnte, und überzeugt war, daß er eines ſolchen Glückes nicht werth ſey, konnte mit allen ſeinen Argumenten nichts ausrichten. Hätte er die geheimen Triebfe¬ dern gekannt, ſo würde er ſich die Mühe gar nicht gegeben haben, die Eltern überre¬ den zu wollen. Denn der Vater, der ſeine Tochter gerne bey ſich behalten hätte, haßte den jungen Menſchen, weil ſeine Frau ſelbſt ein Auge auf ihn geworfen hatte, und dieſe konnte in ihrer Stieftochter eine glückliche Nebenbuhlerin nicht vor Augen leiden. Und ſo mußte Melina wider ſeinen Willen mit ſeiner jungen Braut, die ſchon größere Luſt bezeigte, die Welt zu ſehen, und ſich der Welt ſehen zu laſſen, nach einigen Tagen abreiſen, um bey irgend einer Geſellſchaft ein Unterkommen zu finden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/141
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/141>, abgerufen am 25.11.2024.