lebendig in deiner Seele die Gestalten wür¬ kender Menschen, wärmte deine Brust ein theilnehmendes Feuer, verbreitete sich über deine ganze Gestalt die Stimmung, die aus dem innersten kommt, wären die Töne dei¬ ner Kehle, die Worte deiner Lippen lieblich anzuhören, fühltest du dich genug in dir selbst, so würdest du dir gewiß Ort und Ge¬ legenheit aufsuchen, dich in andern fühlen zu können.
Unter solchen Worten und Gedanken hat¬ te sich unser Freund ausgekleidet, und stieg mit einem Gefühle des innigsten Behagens zu Bette. Ein ganzer Roman, was er an der Stelle des Unwürdigen morgenden Ta¬ ges thun würde, entwickelte sich in seiner Seele, angenehme Phantasien begleiteten ihn in das Reich des Schlafes sanft hinüber, und überließen ihn dort ihren Geschwistern, den Träumen, die ihn mit offenen Armen
lebendig in deiner Seele die Geſtalten wür¬ kender Menſchen, wärmte deine Bruſt ein theilnehmendes Feuer, verbreitete ſich über deine ganze Geſtalt die Stimmung, die aus dem innerſten kommt, wären die Töne dei¬ ner Kehle, die Worte deiner Lippen lieblich anzuhören, fühlteſt du dich genug in dir ſelbſt, ſo würdeſt du dir gewiß Ort und Ge¬ legenheit aufſuchen, dich in andern fühlen zu können.
Unter ſolchen Worten und Gedanken hat¬ te ſich unſer Freund ausgekleidet, und ſtieg mit einem Gefühle des innigſten Behagens zu Bette. Ein ganzer Roman, was er an der Stelle des Unwürdigen morgenden Ta¬ ges thun würde, entwickelte ſich in ſeiner Seele, angenehme Phantaſien begleiteten ihn in das Reich des Schlafes ſanft hinüber, und überließen ihn dort ihren Geſchwiſtern, den Träumen, die ihn mit offenen Armen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0138"n="130"/>
lebendig in deiner Seele die Geſtalten wür¬<lb/>
kender Menſchen, wärmte deine Bruſt ein<lb/>
theilnehmendes Feuer, verbreitete ſich über<lb/>
deine ganze Geſtalt die Stimmung, die aus<lb/>
dem innerſten kommt, wären die Töne dei¬<lb/>
ner Kehle, die Worte deiner Lippen lieblich<lb/>
anzuhören, fühlteſt du dich genug in dir<lb/>ſelbſt, ſo würdeſt du dir gewiß Ort und Ge¬<lb/>
legenheit aufſuchen, dich in andern fühlen zu<lb/>
können.</p><lb/><p>Unter ſolchen Worten und Gedanken hat¬<lb/>
te ſich unſer Freund ausgekleidet, und ſtieg<lb/>
mit einem Gefühle des innigſten Behagens<lb/>
zu Bette. Ein ganzer Roman, was er an<lb/>
der Stelle des Unwürdigen morgenden Ta¬<lb/>
ges thun würde, entwickelte ſich in ſeiner<lb/>
Seele, angenehme Phantaſien begleiteten ihn<lb/>
in das Reich des Schlafes ſanft hinüber,<lb/>
und überließen ihn dort ihren Geſchwiſtern,<lb/>
den Träumen, die ihn mit offenen Armen<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[130/0138]
lebendig in deiner Seele die Geſtalten wür¬
kender Menſchen, wärmte deine Bruſt ein
theilnehmendes Feuer, verbreitete ſich über
deine ganze Geſtalt die Stimmung, die aus
dem innerſten kommt, wären die Töne dei¬
ner Kehle, die Worte deiner Lippen lieblich
anzuhören, fühlteſt du dich genug in dir
ſelbſt, ſo würdeſt du dir gewiß Ort und Ge¬
legenheit aufſuchen, dich in andern fühlen zu
können.
Unter ſolchen Worten und Gedanken hat¬
te ſich unſer Freund ausgekleidet, und ſtieg
mit einem Gefühle des innigſten Behagens
zu Bette. Ein ganzer Roman, was er an
der Stelle des Unwürdigen morgenden Ta¬
ges thun würde, entwickelte ſich in ſeiner
Seele, angenehme Phantaſien begleiteten ihn
in das Reich des Schlafes ſanft hinüber,
und überließen ihn dort ihren Geſchwiſtern,
den Träumen, die ihn mit offenen Armen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/138>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.