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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

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mir einen kleinen Schreiber- oder Einneh¬
mer-Dienst, und ich will mich glücklich
schätzen.

Nachdem sie noch einige Worte gewech¬
selt hatten, schied Wilhelm mit dem Verspre¬
chen, Morgen ganz früh die Eltern anzuge¬
hen und zu sehen, was er ausrichten könne.
Kaum war er allein, so mußte er sich in fol¬
genden Ausrufungen Luft machen: unglückli¬
cher Melina, nicht in deinem Stande, son¬
dern in dir liegt das armselige, über das du
nicht Herr werden kannst! Welcher Mensch
in der Welt, der ohne innern Beruf ein
Handwerk, eine Kunst oder irgend eine Le¬
bensart ergriffe, müßte nicht wie du seinen
Zustand unerträglich finden? Wer mit ei¬
nem Talente zu einem Talente gebohren ist,
findet in demselben sein schönstes Daseyn!
Nichts ist auf der Erde ohne Beschwerlich¬
keit, nur der innre Trieb, die Lust, die Liebe

mir einen kleinen Schreiber- oder Einneh¬
mer-Dienſt, und ich will mich glücklich
ſchätzen.

Nachdem ſie noch einige Worte gewech¬
ſelt hatten, ſchied Wilhelm mit dem Verſpre¬
chen, Morgen ganz früh die Eltern anzuge¬
hen und zu ſehen, was er ausrichten könne.
Kaum war er allein, ſo mußte er ſich in fol¬
genden Ausrufungen Luft machen: unglückli¬
cher Melina, nicht in deinem Stande, ſon¬
dern in dir liegt das armſelige, über das du
nicht Herr werden kannſt! Welcher Menſch
in der Welt, der ohne innern Beruf ein
Handwerk, eine Kunſt oder irgend eine Le¬
bensart ergriffe, müßte nicht wie du ſeinen
Zuſtand unerträglich finden? Wer mit ei¬
nem Talente zu einem Talente gebohren iſt,
findet in demſelben ſein ſchönſtes Daſeyn!
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keit, nur der innre Trieb, die Luſt, die Liebe

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[127/0135] mir einen kleinen Schreiber- oder Einneh¬ mer-Dienſt, und ich will mich glücklich ſchätzen. Nachdem ſie noch einige Worte gewech¬ ſelt hatten, ſchied Wilhelm mit dem Verſpre¬ chen, Morgen ganz früh die Eltern anzuge¬ hen und zu ſehen, was er ausrichten könne. Kaum war er allein, ſo mußte er ſich in fol¬ genden Ausrufungen Luft machen: unglückli¬ cher Melina, nicht in deinem Stande, ſon¬ dern in dir liegt das armſelige, über das du nicht Herr werden kannſt! Welcher Menſch in der Welt, der ohne innern Beruf ein Handwerk, eine Kunſt oder irgend eine Le¬ bensart ergriffe, müßte nicht wie du ſeinen Zuſtand unerträglich finden? Wer mit ei¬ nem Talente zu einem Talente gebohren iſt, findet in demſelben ſein ſchönſtes Daſeyn! Nichts iſt auf der Erde ohne Beſchwerlich¬ keit, nur der innre Trieb, die Luſt, die Liebe

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/135>, abgerufen am 24.11.2024.